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Wege des Herzens

Wege des Herzens

Titel: Wege des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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und erfuhr, um welchen Gefallen die vier sie bitten wollten, staunte sie noch mehr.
    »Ist das ein Scherz, Ania?« Aus Höflichkeit den anderen gegenüber redete sie auf Englisch mit der Freundin, aber Ania antwortete auf Polnisch, um ihr zu zeigen, wie ernst die Lage war.
    »Das ist unsere einzige Hoffnung, einen rechtschaffenen Mann zu retten. Du musst uns helfen – du musst.«
    »Aber mal angenommen, die Sache verhält sich anders, als ihr denkt …«, begann Lidia.
    Brian fiel ihr ins Wort. »Bitte, glauben Sie mir, Miss Lidia, ich weiß, wir verlangen viel von Ihnen, aber ohne Ihre Hilfe bleibt uns keine Hoffnung mehr.«
    »Aber was ist mit der Regierung, der Kirche, dem Gesetz? Man kann Sie doch nicht bestrafen, wenn Sie unschuldig sind.«
    »Wenn es nur so simpel wäre, Miss Lidia, dann würden wir Ihre Zeit nicht in Anspruch nehmen, glauben Sie mir.« Brian machte einen sehr niedergeschlagenen Eindruck.
    »Gut. Was soll ich tun?«, fragte Lidia.
    Als ersten Auftrag des kleinen Komitees sollte sie Eileen zu dem großen Apartmentblock folgen, in dem sie wohnte. Eileen hatte allen vorgeschwärmt, was für ein wundervoller Mensch der dortige Portier sei, ein richtiger Schatz, der alles für einen tun würde. Außerdem sei sie mit vielen ihrer Nachbarn im Haus befreundet und würde manchmal zu ihren Partys eingeladen werden.
    Immer wieder hatte sie die wunderbare Aussicht auf die Dublin Mountains beschrieben und betont, wie gepflegt das Gebäude sei. Jeden Morgen um vier Uhr kämen, sehr diskret und leise, Reinigungskräfte, um das Treppenhaus zu putzen. Das alles hatte sie den hart arbeitenden jungen Frauen erzählt, von denen die eine oder andere vielleicht sogar zu der Putzkolonne um vier Uhr morgens gehörte. Eileen sah offenbar nichts Verwerfliches darin, vor Menschen, die mit ihrem geringen Einkommen kaum über die Runden kamen, mit ihrem privilegierten Lebensstil anzugeben. Im Gegenteil, sie behauptete, diese Menschen würden sich geradezu freuen, sich Geschichten über ihr märchenhaftes Prinzessinnendasein anzuhören.
    Verwundert stellte Lidia sich die Frage, weshalb eine Frau wie Eileen die Gesellschaft von Einwanderern suchte, von Menschen, die weitaus weniger Glück im Leben hatten als sie, während sie in ihre Jeans und Jacke schlüpfte und einen dunklen Schlapphut tief in die Stirn drückte. Wenn sie diese Frau beschatten und nicht von ihr erkannt werden wollte, musste sie so unauffällig wie möglich aussehen.
    Gleich am ersten Abend, als Lidia Eileen bis nach Hause folgte, fiel ihr auf, dass sie, statt den Haupteingang des Gebäudes zu benutzen, schnurstracks zur Portiersloge ging. Eileen sah wirklich toll aus und war sehr geschmackvoll gekleidet. Lidia, die ebenfalls eine Schwäche für schöne Kleider hatte, wusste, dass die Garderobe von Eileen Edwards ein kleines Vermögen gekostet haben musste. Doch was hatte diese Frau zu verbergen? Und was hatte sie mit diesem stiernackigen Portier zu tun, der die Tiefgarage bewachte?
    Zu ihrer Überraschung sah Lidia, wie Eileen ihre Handtasche leerte und den Inhalt in einen Plastiktüte stopfte, während der junge Mann das teure Stück unter seinem Schreibtisch verschwinden ließ. Daraufhin eilte Eileen zur Haltestelle und bestieg einen Bus, der in dem Moment auf ihrer Straßenseite hielt.
    Wohin wollte sie?
    Todesmutig stürmte Lidia auf die andere Straßenseite und erwischte gerade noch den Bus, ehe er wieder anfuhr.
    »Ja?«, fragte sie der müde aussehende Fahrer.
    Lidia wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte schließlich keine Ahnung, wo Eileen aussteigen würde. »Endstation, bitte«, erwiderte sie.
    »Sind Sie zufällig aus Litauen?«, wollte der Busfahrer von ihr wissen.
    »Wieso fragen Sie?«
    »Weil ich in so einem Club mal eine tolle Schnecke aus Litauen kennengelernt habe. Die hätte mir gefallen. Vielleicht kennen Sie sie ja.«
    »Dublin ist eine sehr große Stadt«, sagte Lidia.
    »Wem sagen Sie das. Ich bin hier noch über grüne Wiesen gelaufen, als ich ein kleiner Junge war.«
    Lidia setzte sich auf einen Platz am Fenster und schaute hinaus auf die Reihen der Häuser, die hier, wo der Fahrer noch grüne Wiesen in Erinnerung hatte, wie Pilze aus dem Boden geschossen waren. Dabei beobachtete sie in der Fensterscheibe Eileen, gespannt auf jedes Anzeichen achtend, dass sie aufstehen und aussteigen könnte. Schließlich erhob Eileen sich und sah sich mehrmals um, als habe sie tatsächlich Angst, verfolgt zu werden.
    Lidia stieg gleich

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