Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben
werden
hier speziell für Ärzte die technischen Einzelheiten aufgeführt. Für nicht
medizinisch geschulte Leser werden einige dieser Absätze deshalb schwerer zu
begreifen sein.
Abschnitt 5.2 enthält eine
Zusammenfassung der Einzelheiten bezüglich der oralen Einnahme von Mitteln, die
bei aktiver Sterbehilfe innerhalb der gesetzlichen Grenzen in der Schweiz, den
Niederlanden und Oregon angewendet werden.
Abschnitt 5.3. behandelt
intravenöse Methoden. Es gibt dazu keine Daten aus Oregon, weil diese Methode
dort gesetzwidrig ist. Wir verfügen jedoch über Daten aus Belgien.
Die Schweiz ist insofern ein
Ausnahmefall, als dort außer Ärzten auch Nicht-Ärzte im Rahmen des Gesetzes
Sterbehilfe leisten dürfen (siehe Kapitel 6.2). Auch in der Schweiz muss das
Medikament in allen Fällen von einem Arzt verschrieben werden. Dieser braucht
den Sterbeprozess jedoch nicht selbst zu begleiten. Er darf das Rezept einem
Mitarbeiter einer Sterbehilfe-Gesellschaft übergeben. Dieser übernimmt dann die
Begleitung des Sterbewilligen. Der Sterbehelfer ist anwesend bei der
Lebensbeendung und meldet den Tod anschließend der zuständigen Behörde. 39
5.2
Lebensbeendung durch oral eingenommene Barbiturate in Anwesenheit eines ehrenamtlichen
Sterbehelfers oder eines Arztes
Schweiz
Bosshard u. a. (2003) haben 748
Sterbefälle, die durch die Schweizer Sterbehilfe-Gesellschaft Exit Deutsche
Schweiz in einem Zeitraum von elf Jahren (1990-2001) begleitet wurden,
analysiert. 40 Von
den 748 Fällen wurden 276 in den offiziellen Sterbeverzeichnissen der Stadt
Zürich nachgeprüft. Insgesamt 261 der 276 Betroffenen nahmen 10-12 g
Pentobarbital ein. Das ist fast das Doppelte von dem, was wir in Kapitel 4.4
empfehlen. Wie wir dort anführen, ist niemand wieder aufgewacht, nachdem er 6 g
eines Barbiturates eingenommen hat, wenn er keine Toleranz dagegen ausgebildet
hatte oder es nicht erbrechen musste. Wenn ein Patient 10-12 g Pentobarbital
nimmt, stirbt er wahrscheinlich schneller als mit 6 g.
In der Mehrzahl der Fälle war
der verschreibende Arzt beim selbstbestimmten Sterben nicht anwesend.
Stattdessen war ein Mitarbeiter von Exit Deutsche Schweiz dabei und
meldete, entsprechend der üblichen Praxis, den Tod den Behörden. Im Zeitraum
von 1997 bis 2000 wurden die Barbiturate in 31% der Fälle vom Hausarzt und in 52%
der Fälle von einem für die Sterbehilfe-Gesellschaft arbeitenden Arzt
verschrieben.
In den verbleibenden 17% der
Fälle ist nicht bekannt, wer die Barbiturate verschrieben hat. Der Tod trat in
88% der Fälle innerhalb einer Stunde ein (siehe Tabelle 5.1, Daten von
Bosshard, 2003).
Tabelle 5-1: Zeitraum
zwischen der oralen Aufnahme von 10 bis 12 g Pentobarbital und dem Eintritt
des Todes (261 Fälle)
0-15 min
70
(27%)
16-30 min
115
(44%)
31-60 min
44
(17%)
1-2 h
11
(4%)
2-12 h
20
(8%)
>12h
1
(0,4%)
insgesamt
261
(100%)
Die durchschnittliche
Sterbezeit lag bei 25 Minuten (Bereich 11 Minuten bis 6,5 Stunden). Statt
Pentobarbital wurden in 15 Fällen 10-15 g Secobarbital verschrieben. Ein
Antibrechmittel wurde zuvor in allen Pentobarbital- und Secobarbital-Fällen
eingenommen. Alle 276 Personen starben an einer Überdosis Barbiturate.
Niederlande
Horikx und Admiraal (2000)
haben 60 Fälle der oralen Aufnahme von 9 g flüssigen Secobarbitals oder
Pentobarbitals dokumentiert. 41 Wir geben hier das von Apothekern verwendete Rezept eines tödlichen Trunks von
100 ml (ein kleines Glas):
Man löst Pentobarbital oder Secobarbital
durch Schütteln in einer Mischung aus Wasser, Propylenglycol und Alkohol auf.
Man löst Sacharin darin auf und gibt Sirup und Anis dazu. Diese Lösung ist ca.
einen Monat langstabil
Nichttherapeutische Mischung
von Pentobarbital oder Secobarbital
Barbitalum natricum 9 g
(Pentobarbital oder Secobarbital)
Alcohol 96% 16,2 g (20 ml)
Aqua purificata 15g
Propylenglycolum 10,4g (10ml)
Saccharinum natr. 250 mg
Sirupus simplex 65 g
Anisi aetheroleum 1 g
Dieser Trunk ist ziemlich
bitter. Für Patienten, denen 100 ml zu viel ist, können dieselben Substanzen in
75 ml gelöst werden. Das Trinken mit einem Strohhalm hat den Nachteil, dass der
Patient manchmal einschläft, bevor er das Glas geleert hat.
Von Horikx (Mitglied der
Königlich-Niederländischen Gesellschaft für Pharmazie) haben wir
unveröffentlichte Daten zu 161 Fällen erhalten (inklusive der 60 Fälle in
Horikx 2000).
Tabelle 5-2:
Zeitraum zwischen der oralen Aufnahme von 9 g
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