Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben
Person
fähig war, rational darüber zu entscheiden, ob sie ihr Leben beenden wolle,
ihren Willen, aus dem Leben zu scheiden, selbstbestimmt äußerte und ihr
Sterbewunsch wohlerwogen und konstant (dauerhaft) war.
Können ihre Urteilsfähigkeit,
die Autonomie ihres Entscheides, die Wohlerwogenheit und Konstanz ihres
Sterbewunsches von den Strafuntersuchungsbehörden, die den Sachverhalt
hinterher klären müssen, nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, ist in
einem Strafverfahren gegen Personen, die der Selbsttötung beiwohnten, nach dem
Rechtsgrundsatz ‚im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten’ zu vermuten, dass diese
Voraussetzungen bei der verstorbenen Person gegeben waren. Die anklagende Behörde
müsste meines Erachtens auch bei einer an psychischen Störungen leidenden
Person im Nachhinein beweisen, dass sie zum Zeitpunkt des Suizides nicht
urteilsfähig war, und ebenso, dass ein selbstbestimmter Sterbewille fehlte und
der Sterbewunsch weder wohlerwogen noch konstant war.
2. Wenn kein begründeter
Verdacht vorlag, dass die Verwandten, Freunde und anwesenden Dritten den Suizid
aus selbstsüchtigen Beweggründen materieller, ideeller oder affektiver Art
förderten oder unterstützten. Verleitung und Beihilfe zum Suizid aus
selbstsüchtigen Beweggründen ist in der Schweiz nach Art. 115 StGB strafbar.
Das Schweizerische
Bundesgericht hat in einem grundlegenden Urteil vom 3. November 2006
entschieden, dass in der Schweiz das bei Sterbebegleitungen heute gebräuchliche
Natrium-Pentobarbital zu diesem Zweck auch bei unheilbarer, dauerhafter,
schwerer psychischer Beeinträchtigung von Ärzten verschrieben und abgegeben
werden darf. Voraussetzung ist, dass der Sterbewunsch nicht Ausdruck einer
psychischen Störung ist, die nach Behandlung ruft, sondern auf einem
selbstbestimmten, wohlerwogenen und dauerhaften Entscheid einer urteilsfähigen
Person beruht (‚Bilanzsuizid’), den es zu respektieren gelte. Der Sterbewunsch
muss also auf einem autonomen, die Gesamtsituation erfassenden Entscheid
beruhen. 68 Allerdings macht das Bundesgericht die Verschreibung des Natrium-Pentobarbitals
bei psychisch kranken Personen, in Anlehnung an ein interdisziplinäres
Gutachten, das die Vereinigung EXIT Deutsche
Schweiz bei einem Ethiker, einem Juristen, einem Gerichtsmediziner und einem
Psychiater in Auftrag gegeben hatte, 69 vom Vorliegen eines medizinischen
Fachgutachtens abhängig. 70 Wenn nun aber das Bundesgericht davon ausgeht, der Bilanzsuizid sei auch bei
einem psychisch kranken Menschen unter den oben aufgeführten Bedingungen zu
respektieren, so dürfte es in Zukunft schwer fallen, bei Menschen mit
somatischen Leiden in der Schweiz andere als die Kriterien Urteilsfähigkeit,
selbstbestimmter, wohlerwogener und konstanter Sterbewunsch als Voraussetzungen
für eine rechtlich unbedenklich Beihilfe zur Selbsttötung zu fordern.
Nach diesem Urteil müsste
beispielsweise auch ein des Lebens überdrüssig gewordener alter Mensch, der
weder an einer psychischen, noch an einer somatischen Krankheit leidet, für
sich aber im Leben einfach keine Perspektiven mehr sieht und die Bilanz zieht,
sein Leben nun beenden zu wollen, unter Verwendung des Natrium-Pentobarbitals
mit Hilfe Dritter (wie Begleitpersonen einer Sterbehilfeorganisation)
Selbsttötung begehen können, ohne seine Begleiter dem Risiko einer
Strafverfolgung auszusetzen, wenn die genannten Kriterien als erfüllt zu gelten
haben. Ein Problem könnte sich daraus ergeben, dass er einen Arzt finden muss,
der bereit ist, ihm das für dieses Sterbemittel erforderliche Rezept
auszustellen, obwohl bei ihm keine eigentliche Krankheit vorliegt, und schon
gar nicht eine Krankheit, die in absehbarer Zeit zum Tode führen würde. Auf der
Grundlage des Bundesgerichtsentscheides vom 3. November 2006 muss man
allerdings ernsthaft die Frage stellen, ob ein Arzt, der Verständnis für einen
solchen des Lebens überdrüssigen, aber nicht eigentlich kranken alten Menschen
hat und das Rezept nach sorgfältiger Prüfung der Gesamtsituation ausstellt,
deswegen aufsichts- und/oder standesrechtlich noch zur Verantwortung gezogen
werden könnte.
Das vom Bundesgericht erwähnte
Kriterium der Dauerhaftigkeit des Sterbewunsches wird besser mit Konstanz bzw.
Nachhaltigkeit umschrieben. Es kann letztlich wohl nicht entscheidend sein,
über wie lange Zeit hinweg der Sterbewillige seinen Sterbewunsch äußert.
Wesentlicher als das Zeitmoment scheint mir zu sein, dass beispielsweise ein
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