Wehe Dem, Der Boeses Tut
Victor blinzelte mehrmals rasch und trank noch einen Schluck Wasser.
Der Mann wirkte aufrichtig und sah nicht aus, als ob er den sterbenden Vater nur spielte, doch Zach war entschlossen, sich von diesem Zirkus nicht beeindrucken zu lassen. Er blieb bei seiner Überzeugung: Für ihn war Adria eine Schwindlerin.
»Es mag hartherzig klingen«, sagte Victor in heiserem Flüsterton, »aber die Vorstellung, dich zu verlieren, war mir nun einmal unerträglich, Adria. Du warst doch alles, was ich auf der Welt noch hatte. Und was die Familie Danvers betraf … Nun, ich sagte mir, dass ohnehin alles zu spät war. Die Entführung konnte ich schließlich nicht ungeschehen machen. Außerdem musste ich auch die Umstände der Adoption berücksichtigen. Immerhin wussten wir schon damals, als wir dich an Kindes statt annahmen, dass das Verfahren nicht vorschriftsmäßig durchgeführt worden war. Herrgott, wahrscheinlich war das Ganze gesetzwidrig. Ich hatte Angst, dass ich irgendwie in eine kriminelle Handlung verstrickt sein könnte, obwohl ich keine Ahnung hatte, woher du kamst. Deshalb beschloss ich, das Geheimnis bis zu meinem Tod zu bewahren und diese Videokassette im Safe neben meinem Bett zu hinterlegen. Falls jemand die Echtheit der Aufnahme anzweifelt – bitte. Saul Anders hat mir die Geräte geliehen, die Kamera aufgestellt und dafür gesorgt, dass ich nicht gestört wurde. Er hat keine Ahnung, was auf der Kassette aufgezeichnet ist, und er hat mir geschworen, sich das Band nicht anzuschauen.«
Die alten Augen wurden für ein paar Sekunden glasig. »Tja, meine Kleine, das ist alles, was ich weiß. Hoffentlich hilft es dir. Ich glaube, ich habe dich einfach zu sehr geliebt, um dir die Wahrheit sagen zu können. Du wirst mir fehlen, Schätzchen …« Er lächelte gequält, dann wurde der Bildschirm schwarz.
Nelson pfiff leise durch die Zähne.
Jason starrte finster in sein leeres Glas.
Trisha applaudierte wie nach einer Theatervorstellung. »Na, wenn das kein Höhepunkt in der Geschichte des Hobbyvideos war! Haben Sie wirklich geglaubt, wir würden Ihnen diese schmalzige Story abkaufen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Adria heiser, und ihre Augen schimmerten ein wenig heller als zuvor. »Aber es ist die Wahrheit.«
Zach sagte sich, das alles sei Teil eines ausgeklügelten Tricks. Der Mann auf dem Videoband war vermutlich ein Schauspieler, oder aber Adrias Vater hatte versucht, die reiche Familie Danvers hinters Licht zu führen.
»Die Wahrheit. Sicher doch«, sagte Trisha mit unverhohlenem Sarkasmus.
Jason drückte die Auswurftaste und nahm die Videokassette aus dem Gerät. »Dies ist also Ihr ›Beweis‹?«, fragte er.
»Ja.«
»Das ist alles, was Sie in der Hand haben?«
Adria nickte, woraufhin sich Jasons Miene entspannte. »Tja, Miss Nash, das ist nicht viel, wie?«
»Aber es ist ein Anfang, Jason«, entgegnete sie, stand auf und schlüpfte in ihre Schuhe. »Sie müssen mir nicht glauben, das habe ich weiß Gott nicht von Ihnen erwartet. Aber seien Sie gewarnt: Ich werde herausbekommen, wer ich wirklich bin. Sollte ich nicht London Danvers sein, dann verschwinde ich von hier, darauf können Sie sich verlassen. Falls ich aber London bin«, fuhr sie fort und reckte entschlossen das Kinn, »dann kämpfe ich gegen Sie und gegen jeden Anwalt, den Sie mir auf den Hals hetzen, um es zu beweisen.« Sie griff nach ihrer Handtasche und legte sich den Mantel über den Arm. »Es ist spät und Sie haben sicher noch einiges zu besprechen. Ich werde mir ein Taxi rufen und –«
»Ich fahre dich«, bot Zach an. Er wusste selbst nicht wieso, aber er war nicht bereit, sie schon gehen zu lassen. So wenig ihm die ganze Angelegenheit behagte, ein Teil von ihm war doch auch interessiert an ihrer Geschichte. Wer war sie in Wirklichkeit?
»Nicht nötig.«
»Ich möchte aber.«
»Es ist nicht nötig.«
»Doch, das ist es.« Er fing einen forschenden Blick von Trisha und einen bösen, vielsagenden von Jason auf. »Die Gastfreundlichkeit der Danvers'«, sagte er gedehnt.
»Hör zu, Zach, du brauchst dir keine Mühe zu geben, nett zu mir zu sein, okay?« Adria wollte das Zimmer verlassen, doch er hielt sie am Ellenbogen zurück.
»Du hast doch gesagt, du brauchst Unterstützung.« Sie spürte seine Hand an ihrem Arm, seinen Atem, der warm und mit einem Hauch Whiskeygeruch ihren Nacken streifte.
Sie besann sich darauf, dass dieser Mann in gewisser Weise etwas mit ihr gemeinsam hatte – ein Mann ohne Vergangenheit, wenn
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