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Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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schaute Lee auffordernd an. Der holte tief Luft. »Es tut mir wirklich sehr leid Ihnen sagen zu müssen, dass sie nicht mehr am Leben ist.«
    Santiagos Reaktion kam überraschend. Einen Moment starrte er die beiden an, dann brach er in Gelächter aus. So etwas hatte Lee noch nie erlebt. Unsicher musterten er und Butts Santiago, während der noch immer lachte.
    »Okay, Jungs, netter Stunt«, sagte er dann. »Ich wäre euch fast auf den Leim gegangen. Sagt Ana, das war eine tolle Nummer. Besonders das mit der Polizeimarke. Ich hab euch das eben wirklich abgenommen.«
    »Mr Santiago, das war kein Scherz«, sagte Butts irritiert.
    Santiago blinzelte dem Detective zu. »Aber klar! Natürlich nicht! Hey, wo hat sie euch beide denn aufgetrieben? Ihr seid wirklich richtig gut, ja, ehrlich!«
    Er sah zwischen Lee und Butts hin und her. Dann begriff er plötzlich. Santiago taumelte einen Schritt zurück, als hätte ihn jemand gestoßen. Atemlos wisperte er dann nur: »Nein …«
    »Es tut mir wirklich schrecklich leid …«, begann Lee, doch Santiago packte ihn bei den Schultern und starrte ihm in die Augen.
    »Mr Santiago …«, sagte Butts, doch Santiago brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen.
    »Nein, nein, nein! Ruhe jetzt! Bitte!«
    Er sah aus, als würde er gleich zusammenbrechen. Schnell packte Lee ihn beim Arm und führte ihn nach nebenan ins leere Restaurant. Butts trottete den beiden hinterher und murmelte etwas vor sich hin. Der Detective hasste es einfach, wenn er einem Menschen eine solche Nachricht überbringen musste, das wusste Lee. Er selbst konnte sich auch Schöneres vorstellen. Im Restaurant drückte er Santiago sanft auf den nächsten Stuhl.
    »Was … ist mit ihr passiert?«, flüsterte er dann. »Wie … ich meine … hat sie …?«
    »Nein, sie hat keinen Selbstmord begangen«, erklärte Lee. »Wir glauben, dass sie ermordet wurde.«
    »Oh Gott!«, rief Santiago. »Wer würde … sie hatte doch keine Feinde oder so was! Wer sollte sie denn … wissen Sie, wer es war?«
    »Nein, leider nicht«, erklärte Butts.
    Es sah aus, als würde er Santiago die Hand auf die Schulter legen wollen, aber dann hielt er sich gerade noch zurück und musterte unglücklich die eigenen Schuhspitzen. Lee und Butts schwiegen eine Weile, um Santiago Zeit zu geben, die Fassung wieder zu erlangen.
    »Mr Santiago«, brach Lee das Schweigen. »Es tut mir wirklich leid, aber wir müssen Ihnen einige Fragen stellen.«
    Santiago schaute auf. Er sah aus wie ein verzweifeltes Kind. Lee begriff genau, was in ihm vorging, wusste aber auch, dass hier allein die Zeit helfen konnte.
    »Nur wenn Sie dazu in der Lage sind natürlich«, fügte Butts hinzu, und Santiago nickte. Lee war nicht sicher, ob eine Befragung viel Sinn hatte im Moment – der Mann stand ganz offensichtlich unter Schock.
    »Wie … ist sie … gestorben?«, fragte Santiago zögernd.
    »Sie ist ertrunken.«
    »Ana hat Wasser gehasst«, sagte Santiago.
    »Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«, fragte Butts.
    »Freitag. Wir haben uns gestritten, weil sie ständig das Gefühl hatte, jemand würde sie verfolgen. Ich habe zu ihr gesagt, dass sie sich das alles nur einbildet. Da wurde sie wütend auf mich und ist abgehauen.« Seine Stimme schwankte, sein Tonfall war monoton, als ob der Schock es ihm unmöglich machte, etwas zu fühlen. »Sie erzählte oft komische Sachen und regte sich gern auf. Dass sie sich am Wochenende gar nicht gemeldet hat, habe ich darauf geschoben, dass sie wohl schmollt. Ich dachte, ich warte einfach, bis sie sich wieder abgeregt hat. Meistens war nach ein paar Tagen alles wieder gut. Heute Morgen, bevor ich zur Arbeit gefahren bin, habe ich sie angerufen, aber es ging nur ihre Mailbox ran. Ich dachte, sie lernt vielleicht gerade. Sie macht einen Kurs an der Rutgers University.«
    Auch Lee hatte immer nur ihre Mailbox erreicht bei seinen Versuchen, mit Ana zu sprechen. Als sie dann gefunden worden war, hatte sie kein Handy dabeigehabt. Chuck hatte die Spurensicherung informiert, damit die sich an diesem Vormittag Anas Haus vornahm. Konnte gut sein, dass die Kollegen gerade da waren.
    »Sie sagten, Ana hätte Angst gehabt, dass sie jemand verfolgt. Hatte sie einen Verdacht, wer es sein könnte?«, fragte Butts.
    Santiago massierte sich die Stirn. Er wirkte jetzt wacher, als könnte er wieder denken, und auch seine Stimme klang nicht mehr so dumpf und ausdruckslos. »Ana hatte diesen verrückten Psychologen. Ich halte den Mann für einen

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