Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
Vom Netzwerk:
schon wieder anhören muss. Ist das nicht Ironie des Schicksals?«
    »Ja, das ist es wohl«, antwortete Butts. »Haben Sie zufällig die Nummer von Dr. Perkins?«
    »Ja, in meinem Büro. Einen Moment bitte, okay?«
    Die beiden folgten Santiago in den vorderen Teil des Hauses und warteten im Foyer, während er in seinem Büro verschwand. Kurz darauf kehrte er mit einer alten Menükarte des Restaurants zurück, auf der er die Nummer des Therapeuten notiert hatte.
    »Hier – er hat seine Praxis in Stockton, drüben in New Jersey.«
    »Ja, ich kenne Stockton«, sagte Lee und schrieb sich die Nummer auf, die zwischen dem Schweinefilet mit Salbei und dem Lachs in Dillsoße stand. »Vielen Dank.« Er sah Butts an. Die Befragung war damit erst einmal abgeschlossen.
    »Ich sollte wohl … mich wohl um die Beerdigung kümmern«, sagte Santiago und schaute durchs Fenster hinaus auf den Fluss. Über dem langsam fließenden Wasser lagen Nebelschwaden. »Ana hat keine Angehörigen mehr. Viele Freunde, aber … na ja, wir waren wohl ihre Familie.«
    »Das wäre sicher gut, falls Sie dazu schon in der Lage sind«, sagte Lee.
    Zusammen mit Butts dankte er Santiago, drückte ihm noch einmal sein Beileid aus und gab ihm seine Karte. Es konnte ja sein, dass ihm doch noch etwas Wichtiges einfiel. Santiago folgte den beiden Männern hinaus wie ein hilfloser Welpe … als wären sie seine letzte Verbindung zu Ana. Im Rückspiegel sah Lee ihn vor dem Black Bass stehen. Er hatte wegen der Sonne die Augen mit der Hand beschirmt und schaute ihrem Auto hinterher.

KAPITEL 14
    Butts starb fast vor Hunger, also fuhr Lee mit ihm zu Dilly’s Corner, einem ganzjährig geöffneten Imbissstand an der Ecke River und Coldspring Road. Laura und er hatten ihn als Kinder geliebt. Im Sommer kamen viele Touristen her, und nach der Schule war Dilly’s ein Treffpunkt für die Jugendlichen der Gegend. Als Kind hatte Lee es faszinierend gefunden, dass man mitten im Nirgendwo Eis und Burger kaufen konnte – der Imbiss lag mehrere Meilen von der nächsten Ortschaft entfernt.
    Während sie an einem der Holztische saßen und Cheeseburger mit Pommes aßen, sagte Butts: »Wirklich anständiges Essen hier, der Cheeseburger ist richtig gut.«
    Glücklich stopfte er sich eine Handvoll Pommes in den Mund, nahm seinen Schokoshake und saugte kräftig am Strohhalm. Lee schüttelte sich bei dem Anblick und sah schnell weg. Er hatte nie begriffen, wie man zu einem Cheeseburger einen süßen Milchshake trinken konnte – das war einfach eklig. Er blickte auf die Uhr. Es war halb vier – also würden sie im dichtesten Berufsverkehr zurückfahren. Wenigstens mussten sie um diese Zeit in die entgegengesetzte Richtung, nämlich zurück in die Stadt. Allerdings half das auch nur bedingt. Im Holland- und Lincoln-Tunnel standen jetzt zwei der drei Spuren nur den Pendlern zur Verfügung, die von der Arbeit nach Hause wollten. In die Stadt hinein hingegen führte nur eine Spur.
    »Okay«, sagte er und warf das Einwickelpapier vom Burger in den Müll, »wie wäre es, wenn wir Dr. Perkins einen kleinen Besuch abstatten?«
    Butts saugte noch ein letztes Mal kräftig am Strohhalm und wischte sich dann satt und zufrieden den Mund ab. »Das Essen war die Warterei wirklich wert!«, erklärte er und ging hinter Lee her zum Auto. Bevor er einstieg, bemerkte Lee aus den Augenwinkeln eine Bewegung zwischen den Bäumen neben dem Imbiss. Wahrscheinlich ein Reh, dachte er – von denen liefen zu dieser Jahreszeit viele hier durch die Wälder. Es passierte nachts immer wieder, dass sie einem Fahrer vors Auto sprangen. Ein paar seiner Freunde von der Highschool hatten früher so den einen oder anderen Totalschaden mit dem Wagen ihrer Eltern gebaut.
    »Wo sehen Sie denn hin?«, fragte Butts, weil er Lees forschenden Blick in Richtung Wald bemerkt hatte.
    »Da war irgendwas … wahrscheinlich ein Reh«, sagte Lee und stieg ein.
    »Sind Sie sich da auch ganz sicher?«, fragte Butts sarkastisch und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. »Kein Alien oder so?«
    »Sehr witzig. Am besten erzähle ich nachher gleich Dr. Perkins davon.«
    »Genau. Wenn wir Glück haben, werden wir vielleicht von kleinen grünen Männchen entführt.« Butts zog den Sicherheitsgurt über seinen Bierbauch. »Oh Gott, ich hätte besser nicht noch eine zweite Portion von den Fritten bestellt.« Er seufzte. »Meine Frau setzt mich bestimmt demnächst wieder auf Diät. Die schaut mich jetzt schon immer komisch an. Sie hat da so

Weitere Kostenlose Bücher