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Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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Sie sich bitte keine Mühe, wir sind ohnehin fertig und fahren wieder«, versicherte Butts.
    »Nicht doch, das macht wirklich keine Umstände«, entgegnete Charlotte, aber Lee und Butts waren schon auf dem Weg zur Tür. Trotz seiner Eleganz strahlte das Haus etwas Unheimliches aus. Lee war froh, dass er gehen konnte. Das Haus kam Lee fast vor wie eine Falle.
    Perkins und seine Schwester begleiteten sie zur Tür, und Lee wäre am liebsten vor den beiden davongelaufen. Er schaute Butts an, um zu sehen, ob es ihm genauso ging, wusste den Ausdruck auf dem Gesicht des Detectives aber nicht zu deuten.
    »Wollen Sie nicht vielleicht doch zum Tee bleiben?«, fragte Charlotte Perkins freundlich.
    »Nein danke, wir werden in New York erwartet«, antwortete Lee, um damit anzudeuten, dass bekannt war, wo er und Butts sich gerade aufhielten. Dieses Gefühl der Bedrohung war natürlich irrational, ja verrückt, aber Lee packte eine unerklärliche Angst.
    »Sollte Ihnen noch etwas einfallen, das uns weiterhelfen könnte, rufen Sie uns bitte an«, sagte Butts und legte seine Karte auf den Rosenholztisch am Eingang.
    »Das mache ich auch auf jeden Fall«, versprach Perkins.
    »Es war schön, Sie kennenzulernen«, sagte Lee mit einer erneuten kleinen Verbeugung. Butts verneigte sich ebenfalls leicht, möglicherweise um Lee nachzuahmen. Perkins verbeugte sich auch und seine Schwester deutete einen Knicks an.
    Dann waren die beiden Männer wieder draußen auf der Veranda. Die Sonne stand jetzt tiefer und tauchte die kleine Hauptstraße in ihr goldenes Licht. Es war, als wache man nach einem Albtraum in einem schönen Gemälde auf. Lees Furcht verschwand, sobald er das Haus verlassen hatte.
    Er sah Butts an, der zu schwitzen begonnen hatte – aber Butts schwitzte oft.
    »Haben Sie eben drinnen auch …?«, begann Lee.
    »Ja, was ist da los gewesen?«, fragte Butts und lockerte seine Krawatte.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Lee. »Diese beiden eben …«
    »Und das Haus! Kein Wunder, dass unser Freund Perkins Santiago unheimlich ist.«
    Lee drehte sich noch einmal um, als sie die Stufen zur Straße hinuntergingen. Die Spitzenvorhänge bewegten sich, als hätte jemand gerade hindurchgesehen. Neben der Tür stand etwas auf der Veranda, das Lee vorhin gar nicht bemerkt hatte. Die Statue eines Grünen Mannes – ein altes keltisches Fruchtbarkeitssymbol. Lee war er immer eher unheimlich gewesen. Die Darstellungen des Grünen Mannes unterschieden sich in Einzelheiten voneinander. Allerdings war er immer lachend abgebildet, und aus seinem Mund wuchsen Ranken und Pflanzen.
    Lee fand, dass der Grüne Mann wie eine Gestalt aus einem Albtraum wirkte. Und das war auch bei dieser Statue so. Die Augen der Figur waren weit aufgerissen, das Fabelwesen lächelte garstig, und die Ranken aus dem Mund wirkten wie die Schlangen der Medusa.
    »Wo schauen Sie denn hin?«, fragte Butts.
    »Da! Ein Grüner Mann.«
    »Was ist denn ein grüner Mann?«
    Während die beiden zum Auto gingen, erklärte Lee es ihm.
    »Ist Ihnen das im Haus auch aufgefallen?«, wollte Butts wissen und stieg in den Wagen.
    »Was denn?«
    »Es gab nirgends Lichtschalter.«
    »Tatsächlich?«
    »Und die Gaslampe … Ich glaube, die haben keinen Stromanschluss.«
    »Ach?«
    »Ja, wirklich. Die beiden sind zwei richtige Sonderlinge.«
    Sie fuhren los. Lee war erstaunt, wie normal und vertraut seine Heimatstadt ihm vorkam, und wie wenig sich hier verändert hatte. Es waren dieselben alten Holzhäuser mit ihren Rasenflächen und den Schaukeln und Begonienampeln auf der Veranda.
    »Und wohin wollen wir jetzt?«, fragte Butts.
    »Nach Flemington. Das liegt sowieso auf unserem Weg.«
    Ihr letzter Halt war die schwierigste Aufgabe an diesem Tag – Anas Haus. Die Spurensicherung war schon da gewesen, und nun wollten Lee und Butts sich noch einmal nach Hinweisen umsehen. Vielleicht gab es ja irgendeinen Anhaltspunkt, der verriet, was in der Nacht des Mordes geschehen war. Etwas, das erklärte, warum Anas junges Leben viel zu früh enden musste.

KAPITEL 15
    Das Haus von Ana Watkins mit seinem riesigen Grundstück befand sich am Stadtrand von Flemington – die Stadt war in der Gegend vor allem wegen der Einkaufszentren und Outlets an der Route 202 bekannt. Flemington selbst war ein hübscher Ort mit historischen Gebäuden, teuren Läden und einigen wirklich guten Restaurants.
    Die kleine Stadt lag verschlafen im goldenen Sonnenschein. Lee bog in die Duck Pond Lane ein, die zu Anas Haus führte.

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