Wehe Dem, Der Gnade Sucht
Soziopathen und einem Psychopathen?«
»Der ist sehr subtil«, antwortete Lee und erklärte dann, was ein Psychopath war. Er begann mit einigen Beispielen psychopathischen Verhaltens und inwiefern es auf ein Unvermögen zur Empathie hinwies.
»Aber wenn Psychopathen demnach keine Empathie empfinden, wie sollen sie dann wissen, dass ihre Taten unrecht sind?«, fragte einer der Männer und nahm seine Teetasse.
»Oh, das ist ihnen bewusst«, versicherte Lee. »Es ist ihnen nur einfach egal.«
»Verstehe«, sagte der Mann. »Anders gefragt, wenn diese Menschen nicht in der Lage sind, Mitgefühl für ihre Opfer aufzubringen, wie können sie dann überhaupt moralisches Bewusstsein entwickeln?«
»Wie wird jemand zum Psychopathen?«, wollte Jonathan wissen.
»Es gibt Hinweise darauf, dass es mit der Vernetzung der Nervenbahnen während der Kindheit zu tun hat«, erklärte Lee.
»Über welches Alter sprechen wir genau?«, erkundigte sich der Teetrinker.
Lee erzählte die Geschichte von Ted Bundy und seiner Tante, die die anderen offensichtlich sehr beeindruckte.
»Oh Gott!«, rief die Französin. »Wie kann man ein fünfjähriges Kind für einen Verbrecher halten?«
»Soll das bedeuten, dass das Böse zwar existiert, wir aber für seine Entstehung nicht verantwortlich zu machen sind?«, fragte ihr Mann.
»Kann man sie … heilen?«, fragte die Französin.
»Da ist man sich nicht ganz sicher«, sagte Lee. »Allerdings gibt es einige Beweise dafür, dass eine einmal entstandene psychopathische Störung nicht mehr therapierbar ist.«
»Habe ich Sie richtig verstanden, dass ein solches Monstrum durch bestimmte Umstände erschaffen wird, ohne etwas dafür zu können?«, wollte Elias wissen.
»Bisher weisen die wissenschaftlichen Untersuchungen darauf hin, dass diese Verbindungen im Gehirn nicht mehr aufgelöst werden können«, bestätigte Lee.
»Und Psychopathen empfinden keinerlei Reue?«
»Nein«, sagte Lee. »Das tun sie nicht. Ted Bundy ist das beste Beispiel dafür. Wie die meisten Serientäter hat er seine Opfer gedanklich entmenschlicht. Es ist wie ein Schalter im Kopf, den diese Mörder umlegen. Die meisten von uns haben diesen Schalter nicht. Anders beim Psychopathen. Genau das macht ihn zu dem, was er ist.«
KAPITEL 25
Eigentlich war das alles nur ein kleiner Spaß gewesen. Zuerst hatten sie es an diesem Freitagabend in den Bars der Upper East Side probiert, aber diese Luxusweibchen mit ihren Designerschuhen und teuren Silikontitten hätten sich niemals mit ein paar armen Jungs aus New Jersey eingelassen. Also beschlossen Joe und Bobby, sich im Village ein bisschen unter die Schwuchteln zu mischen. Die waren einfach zu komisch!
Bobby sagte, er würde da eine Bar in der Christopher Street kennen, wo Transen rumhingen. Dort gingen sie hin, um sich ein bisschen über die Freaks zu amüsieren. Sie wollten die Transen angraben und verarschen oder vielleicht ein bisschen verprügeln. Für so einen kleinen Spaß war das Wochenende doch da.
In der Bar war es dunkel, voll, und es roch wie in der Parfümabteilung von Bloomingdale’s. Und nach Sex. Die Musik war laut – House mit sich wiederholenden Melodiefetzen, unterlegt mit dröhnenden Beats. Joe hasste House. Auf der Highschool hatte er eine Band auf die Beine gestellt und alle Songs selbst geschrieben. Nach ein paar kleinen Gigs in der Umgebung hatte die Band sich wieder aufgelöst, aber Joe hielt sich seitdem für einen Musiker – und kein echter Musiker mochte House. Er wäre lieber wieder gegangen, aber Bobby wollte bleiben, also bestellten sie ein paar Drinks und schauten sich um. Überall Freaks. Zugegeben, einige von denen sehen nicht mal schlecht aus so in Miniröcken und hochhackigen Schuhen , dachte Joe. Durch die Perücken und rasierten Beine konnte man sie aus der Entfernung einfach für große Frauen halten – eklig, sagte er zu Bobby. Aber Bobby meinte, dass man sie immer am Adamsapfel erkennt. Das war eindeutig. Und natürlich an den großen Händen. Es waren auch einige Männer da, die normal angezogen waren wie Joe und Bobby, aber Bobby sagte, das wären alles Schwuchteln.
Sie gingen ein bisschen herum, und dabei versuchte eine Transe, mit Joe zu flirten. Sie war nicht besonders groß, trug eine Perücke mit langem, dunklem Haar und hatte bemerkenswert lange Beine unter dem Ledermini. Viele dieser Freaks waren Schwarze, Latinos oder Asiaten, aber der hier war weiß. Er hat fast ein Mädchengesicht , dachte Joe. Nicht, dass er den
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