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Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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den Schultern. »Ich habe ein paar Freunde bei der Sitte – die kennen jede Transe, die in der Gegend anschaffen geht. Einige arbeiten in der Bar.«
    Lee hatte es schon immer komisch gefunden, dass sich die Sitte mit Drogen und Sex beschäftigte, als verstießen andere Verbrechen nicht ebenfalls gegen die guten Sitten.
    »Ist das Opfer vom Wochenende schon identifiziert?«, fragte Krieger.
    »Ja«, antwortete Chuck. »Joe Grieco, vierundzwanzig Jahre alt, hat im Baugeschäft seines Vaters in Nutley drüben in Jersey gearbeitet. Er ist Freitag vollkommen blau zusammen mit seinem Freund festgenommen worden, der betrunken am Steuer saß. Man hat Grieco zum Ausnüchtern über Nacht ins Tombs-Gefängnis gebracht. Danach ist er verschwunden, bis er dann Sonntagabend mit dem Kopf in der Toilette wieder aufgetaucht ist. Sein Freund, mit dem er Freitag unterwegs war, hat ihn identifiziert.«
    »Den sollten wir so schnell wie möglich befragen«, sagte Lee.
    »Ja, gleich wenn wir hier fertig sind«, sagte Chuck. »Ich habe seine Handynummer und auch seine Adresse in New Jersey.«
    »Das erledige ich«, meldete sich Butts. »Ich wohne da ganz in der Nähe.«
    »Schön.« Chuck nahm einen Umschlag vom Schreibtisch. »Und jetzt zeige ich Ihnen das, was wir auf keinen Fall an die Presse weitergeben werden.« Er zog ein Foto im Din-A4-Format vom Tatort aus dem Umschlag und befestigte es an der Pinnwand neben den anderen.
    Krieger schlug schockiert die Hände vor den Mund.
    »Lieber Himmel«, murmelte Butts.
    Auf dem Bild war ein junger Mann zu sehen, dem man die Augen herausgeschnitten hatte.
    »Das ist Joe Grieco, unser letztes Opfer?«, fragte Butts.
    »Ganz genau«, bestätigte Chuck.
    Alle drei sahen erwartungsvoll hinüber zu Lee.
    Lee starrte das Foto an und dachte an Ana. Wenigstens war ihr das erspart geblieben. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken.
    »Entweder hat es etwas mit diesem konkreten Opfer zu tun oder …«
    Krieger warf ihm einen fragenden Blick zu. »Oder was?«
    »Oder aber seine Signatur formt sich weiter aus.«
    »Das sind keine guten Nachrichten«, sagte Butts.
    »Hm, bei Augen geht es ums Sehen – beobachten oder beobachtet werden«, sinnierte Lee.
    Krieger legte den Kopf schräg und verschränkte die Arme vor der Brust. »Will er also nicht, dass das Opfer ihn ansieht? Oder will er angesehen werden und nimmt die Augen deshalb als Trophäe mit?«
    »Kann auch sein, dass es ein Mix aus beidem ist«, überlegte Chuck laut.
    »Wie dem auch sei, ich könnte jedenfalls schwören, dass es mit einem Trauma aus seiner Vergangenheit zu tun hat«, sagte Lee.
    »Vielleicht ist ja jemand erblindet, der ihm nahestand«, schlug Krieger vor.
    Lee rieb sich die linke Schläfe, hinter der es pochte. »Könnte sein. Aber was immer es auch gewesen ist, bei ihm hat es eine sexuelle Konnotation angenommen. Und es macht ihn aggressiv.«
    »Das lesen Sie alles aus der Art des Mordes heraus?«, fragte Krieger halb skeptisch, halb kokett.
    »Gewisse Elemente lernt man mit der Zeit einzuordnen«, erwiderte Lee.
    »Und welche wären das?« Krieger lehnte an der Fensterbank, und das hereinfallende Sonnenlicht brachte ihre blonden Strähnchen zum Leuchten. Lee überlegte, ob sie sich vielleicht mit Absicht so hingestellt hatte. Elena Krieger war ihm eigentlich immer noch ein Rätsel.
    »Die Verstümmelung eines Opfers hat immer zumindest zum Teil auch eine sexuelle Motivation«, antwortete er.
    »Und sie ist in unserem Fall erst an der Leiche vorgenommen worden«, fügte Chuck hinzu. »Was sagt dir das?«
    »Dass das Motiv dahinter nicht Sadismus ist – sonst hätte er es gemacht, als das Opfer noch lebte.«
    »Was war die Todesursache?«, fragte Butts.
    »Erdrosseln«, antwortete Chuck.
    »Also ist er kräftig«, schlussfolgerte Krieger.
    »Oder er überrascht die Opfer«, entgegnete Lee.
    »Grieco sollte ihn also nicht mehr ansehen, als er schon tot war«, sagte Krieger.
    »Das gibt keinen Sinn«, widersprach Butts und biss von einem Donut ab. »Dann kann er doch sowieso nicht mehr sehen.«
    »Ganz genau«, bestätigte Lee. »Und auch nicht mehr hören.«
    »Ich kann gerade nicht folgen«, gab Chuck zu.
    »Hey, ich begreif’s langsam«, sagte Butts. »Als ich klein war, ist mein Onkel gestorben, und ich war auf seiner Beerdigung. Der Sarg war offen, und er lag da mit geschlossenen Augen. Ich habe die ganze Zeit Angst gehabt, dass er sie plötzlich aufmacht. Danach hatte ich noch wochenlang Albträume.«
    »Ist

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