Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
Vom Netzwerk:
kommentierte Chuck, »dass er in jungen Jahren irgendein traumatisches Erlebnis mit Wasser hatte.«
    »Jemand, der ihm nahestand, könnte ertrunken sein«, meldete sich Ruggles.
    »Darauf sind wir auch schon gekommen«, sagte Butts gereizt.
     
    AUGEN – beobachten?
     
    »Was ist mit den Augen?«, wollte Butts wissen, nachdem Lee das Fragezeichen vollendet hatte.
    »Ich denke, dass es da eine Verbindung gibt. Möglicherweise wurde er bei seinem traumatischen Erlebnis beobachtet, vielleicht von einer Frau.«
    »Das erste Opfer, dem die Augen entfernt wurden, war männlich«, warf Ruggles ein.
    »Guter Einwand«, bestätigte Lee. »Also ist es vielleicht nicht geschlechterspezifisch motiviert, sondern Teil seiner sich entwickelnden Signatur.« Unter den letzten Stichpunkt schrieb er:
     
    Organisiert
     
    »Das erklärt sich von selbst«, meinte Chuck. »Aber inwiefern hilft uns das weiter?«
    »Er geht methodisch und sorgfältig vor. Sein Auto ist wahrscheinlich ein topaktuelles Modell und sehr gut in Schuss. Seine äußere Erscheinung demnach gepflegt und eher unauffällig.«
    »Besucht er die Leichen hinterher noch mal? Macht er so was vielleicht?«, wollte Ruggles wissen. »Ich erinnere mich, dass der Green-River-Mörder das getan hat, wodurch er ja auch geschnappt wurde.«
    »Möglicherweise«, überlegte Lee. »In unserem Fall hatte der Täter dazu aber gar keine Zeit. Die Toten wurden ja meist schon nach einem Tag entdeckt, spätestens nach zwei Tagen.«
    »Ich verstehe, was Sie meinen, Sir«, antwortete Ruggles.
    »Das Wassermotiv hat für ihn noch eine tiefere Bedeutung, als für den Green-River-Mörder«, überlegte Lee.
    »Richtig«, pflichtete Chuck ihm bei. »Der Green-River-Mörder hat den Fluss nur gewählt, um darin seine Opfer zu entsorgen, bei unserem Kerl hingegen spielt das Wasser deiner Meinung nach ja eine ganz andere Rolle.«
    »Und noch etwas«, fuhr Lee fort. »Ich weiß nicht, inwiefern uns das helfen wird, aber es ist wahrscheinlich, dass es vor dem ersten Opfer einen vorausgehenden Stressfaktor gegeben haben muss. Etwas, das sein Leben verändert hat – wahrscheinlich zum Schlechteren.«
    »Eine Trennung, der Verlust des Arbeitsplatzes, so was in der Art?«, überlegte Butts laut.
    »Zum Beispiel – aber wir sollten uns nicht auf diese Möglichkeiten versteifen. Der Vorfall selbst war nicht so wichtig wie seine Reaktion darauf. Was immer es war, es hat ihn zum Äußersten getrieben, und damit begann die Mordserie.«
    »Also gut«, sagte Chuck und blickte auf seine Uhr. »Ich weiß nicht, wie es Ihnen allen geht, aber ich brauche jetzt etwas Koffein.«
    Es würde eine lange Nacht werden.

KAPITEL 51
    Kurz nachdem Lee nach Hause gekommen war, hörte er ein schnelles, schüchternes Klopfen an seiner Tür. Als er sie öffnete stand zu seiner Verwunderung Charlotte Perkins davor. Ihre Sachen waren vom Regen durchnässt. Sie trug einen langen Wollmantel mit einer Kapuze, der dem heftigen Regen dieser Nacht aber nicht gewachsen war. Das nasse Haar klebte strähnig an ihrem Kopf, und sie zitterte vor Kälte.
    »Die Dame ein Stockwerk tiefer hat mich ins Haus gelassen«, erklärte sie entschuldigend.
    »Kommen Sie doch rein«, bat er und nahm ihr den klitschnassen Mantel ab, um ihn zum Trocknen aufzuhängen. »Wie haben Sie mich gefunden?«
    »Als Sie bei uns waren, haben Sie meinem Bruder Ihre Karte dagelassen.« Sie sah sich in der Wohnung um, während sie sich die Handflächen rieb.
    »Soll ich Ihnen etwas Heißes zu trinken machen?«
    »J-ja, b-bitte.« Ihre Zähne klapperten.
    Lee stellte den Kessel auf den Herd und kehrte ins Wohnzimmer zurück.
    Charlotte hatte sich auf den Hocker vor dem Sofa gesetzt und die Arme um den Körper geschlungen.
    »Möchten Sie ein paar trockene Sachen anziehen?«, bot Lee ihr an.
    Sie nickte dankbar. »Haben Sie denn etwas für mich da?«
    »Ja, meine – äh – Lebensgefährtin hat ein paar Sachen hier, die Ihnen bestimmt passen.«
    War Kathy noch seine Lebensgefährtin? Zumindest hatte sie noch nicht angerufen, um die Sachen bei ihm abzuholen. Er hätte Charlotte auch ein paar von seinen Kleidungsstücken geben können, aber der Vorschlag kam ihm bei dieser altjüngferlichen Frau, die Schnürstiefeletten und einen langen Rock trug, viel zu intim und vertraulich vor. Einen Moment lang plagten ihn Gewissensbisse, weil er ihr Kathys Kleider gab, aber er verdrängte das schnell. Charlotte Perkins war einen halben Kopf größer als Kathy, aber da sie die

Weitere Kostenlose Bücher