Wehrlos: Thriller
Schweigen als Erster: »Also, dann bitte ich dich hiermit, mir zu verzeihen. Ich war ein bisschen sauer auf dich, ich geb’s zu.«
Auch Rachel lenkte ein: »Tut mir leid, dass ich dich ohne jede Erklärung hab abblitzen lassen. Ich hätte dir sagen müssen, was in meinem Leben so los ist, aber ich hatte nicht den Mut dazu.«
Samuel rückte näher und sah sie treuherzig an. »Alles vergeben und vergessen?«
Rachel nickte. Sie spürte, wie eine wohlige Wärme durch ihren Körper strömte. »Ja. Ich kann dir jedenfalls nicht länger böse sein.«
»Wunderbar.« Schelmisch fragte er: »Kannst du mir dann jetzt sagen, was ihr vorhabt, du und deine Kollegen von Green Growth?«
»Was bist du nur für ein sturer Hund …«, murmelte sie. »Du lässt wohl nie locker, oder?«
»Nein, aber nun habe ich ja meine Meisterin gefunden«, erwiderte er leise. »Los, erzähl schon.«
»Du musst dich noch ein wenig gedulden. Schon bald werden wir die Sache publik machen.«
Samuel rieb sich das Kinn. »Und wenn ich dir als Gegenleistung eine kleine Sensation anvertraue?«
Rachels Pupillen verengten sich. »Welcher Art?«
»Ich weiß, wer den färöischen Fischer bezahlt hat, der die Sprengladung in eurem kleinen Schlauchboot versteckt hat.«
Rachel zog die Augenbrauen hoch. »Wer?«
»Info gegen Info.«
KAPITEL FÜNFZEHN
Auf einer Bank am Rand ihrer Siedlung füllte Rachel Kaffee aus der mitgebrachten Thermoskanne in zwei Becher. Die in der Wohnung zwischen ihnen entstandene Vertraulichkeit war einem konzentrierten Arbeitsklima gewichen. Jeder von ihnen gab sich professionell, und Samuel war so sachlich und effizient, dass sich Rachel sogar fragte, ob sie nicht alles nur geträumt hatte.
»Hm, ich hätte jetzt nichts gegen ein saftiges Steak einzuwenden.«
Mit den Blicken folgten sie einem Mann in Shorts, der, einen Schäferhund an der Leine, an ihnen vorbeikam. Zwei Mädchen radelten einträchtig nebeneinanderher, während sie sich angeregt unterhielten. In der Nähe der Wippe saß ein Pärchen im Gras und küsste sich, als wäre es allein auf der Welt. Rachel war der Meinung, sie habe Samuel nun lange genug zappeln lassen, und sagte: »Bist du bereit, eine der besten Geschichten deiner ganzen Laufbahn zu hören?«
Samuel saß gespannt da. Rachel konnte nicht umhin, sein gutes Aussehen zu bewundern. Rasch verscheuchte sie diese störenden Gedanken und suchte nach den passenden Worten. Sie überlegte, wie sie beginnen, was sie sagen beziehungsweise besser verschweigen sollte. Doch schließlich fing sie einfach an und redete zehn Minuten ohne Pause.
Während ihres Berichts beugte Samuel sich vor und stützte die Ellenbogen auf die Knie. Seine Augen irrten von Rachel hinüber zum Spielplatz, vom Spielplatz zu seinen Händen, von seinen Händen zurück zu Rachel, so, als wäre er in Gedanken schon dabei, seinen Artikel zu verfassen. Sie erzählte die ganze Geschichte: von der PCB -Vergiftung, der abgewiesenen Klage, ihrem Blog, von Henry Reeds Bestechungsversuch und vom Treffen mit Jesus während des Klimagipfels. Dann legte sie ihm den Inhalt des Berichts dar, sprach über die Enthüllungen der Stimme aus dem Bella Center und die SMS , die ein gewisser RR 21 ihr geschickt hatte, der vorgab, Jesus zu sein, obwohl dieser doch im Koma lag. Als sie schließlich schwieg, richtete sich der Reporter auf und pfiff anerkennend durch die Zähne.
»Unglaublich, das ist echt ’ ne große Sache …«
Rachel war erleichtert, weil sie ihm alles hatte erzählen können. Durch sein Lob fühlte sie sich geschmeichelt.
»Finde ich auch.«
»Wann soll die Bombe denn hochgehen?«
»Am 2. September, in fünf Tagen also, kurz bevor die Solaïa-Kommission ihre Entscheidung bekannt gibt.«
Samuel fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, sein rechtes Bein zuckte nervös. »Ich fasse zusammen: Reed Industries ist also für den Verkauf von mit PCB verseuchten Nahrungsergänzungsmitteln verantwortlich und hat Sachverständige bezahlt, damit die Klage abgewiesen wird. Zudem hat Reed die Klimaskeptiker aufgewiegelt, um die Verabschiedung von Umweltgesetzen, die seine Aktivitäten in den USA behindern würden, zu unterbinden, und er versucht, dich auszuschalten, weil du ihm in die Parade gefahren bist.«
»So ist es.«
»Und eine Angestellte hat dich darüber aufgeklärt, dass ihr Chef jemanden angeheuert hat, um ein Attentat auf dich zu verüben. Und du denkst, dass diese Frau höchstwahrscheinlich bei RenokPharma arbeitet, deren
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