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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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erfüllt. Sie trat zu dem Besuchersessel. Doch ihr Vater kam zu ihr, drückte ihr einen leichten Kuss aufs Haar und deutete auf die Ledersofas, die besonderen Gästen vorbehalten waren.
    »Hier sitzen wir besser.«
    Leicht verunsichert nahm Millicent ihrem Vater gegenüber Platz. Hannibal Reed zündete sich eine Montecristo an, nahm einen tiefen Zug und machte es sich bequem.
    »Nun ist also der große Tag gekommen, meine Tochter, du trittst in unsere Firma ein.«
    »Ja, Vater.«
    »Sehr gut. Ich habe dich aus Boston kommen lassen, weil ich dich brauche.«
    Millicent schlug die Beine übereinander, legte die Hände um die Knie und saß steif da. Seit sie klein war, träumte sie von dem Tag, an dem ihr allmächtiger und stets abwesender Vater, den sie über alle Maßen bewunderte, ihr ganz allein eine Aufgabe anvertrauen würde. Dann würde sie ihm zeigen können, zu welcher Persönlichkeit sie sich entwickelt hatte. Der große Altersunterschied hatte zwischen ihnen eine Generationenmauer errichtet, die sie noch nicht hatte überwinden können. Sie fürchtete und bewunderte diesen Mann und wollte ihm so gerne beweisen, dass sie den ehrgeizigen Erwartungen entsprach, die er in sie setzte.
    Hannibal Reed zog erneut an seiner Zigarre und stieß eine Rauchwolke aus, die zwischen ihnen in der Luft hing. Seine Raubvogelaugen zogen sich zusammen.
    »Dir ist sicher bekannt, dass der Kongress im Moment aufgrund einer Empfehlung des Department Homeland Security und der Environment Protection Agency eine Gesetzesvorlage diskutiert, um strengere Vorschriften für die chemische Industrie und die Öl- und Gasraffinerien einzuführen und die Kontrollen zu verschärfen.«
    »Ja, Vater. Sie wollen die in der Umgebung angesiedelte Bevölkerung vor eventuellen Attentaten und Unfällen schützen«, bestätigte Millicent.
    »Und das ist sehr schlecht für uns. Sechsundsiebzig unserer Fabriken sind betroffen. Sie wollen uns sehr kostspielige Auflagen und regelmäßige Kontrollen vorschreiben und sich in Dinge einmischen, die sie nichts angehen. Aber nicht mit mir! Die sollen ihre Nase gefälligst in andere Sachen stecken! Die aktuellen Grenzwerte sind vollkommen ausreichend.« Als vom Liberalismus überzeugter Freigeist verabscheute Hannibal Reed jegliche staatliche Einmischung.
    »Das verstehe ich«, antwortete Millicent, »aber dann wird man ihnen Sicherheitsnachweise liefern müssen.«
    Hannibal Reed schüttelte verärgert den Kopf. »Nein, man muss ihnen vielmehr beweisen, dass sie im Unrecht sind! Dass ihre Behauptungen, unsere Fabriken könnten gefährlich sein, falsch sind.«
    Millicent sah ihn betreten an. »Vater, diese Berichte haben wissenschaftliche Kommissionen der DHS und der EPA verfasst, die kann man nicht einfach ignorieren.«
    »Ach ja?«, zischte Reed und beugte sich vor. »Können Wissenschaftler denn nicht irren, meine Kleine? Du bist naiv und hast noch viel zu lernen.«
    Er erhob sich brüsk und begann, die Zigarre in der Hand, in seinem Büro auf und ab zu gehen. »Du glaubst also, sie hätten recht mit der Behauptung, die Erde erwärme sich, und wir müssten deshalb den Kohlendioxidausstoß drastisch senken?«
    Verunsichert runzelte Millicent die Stirn. »Ich … ich weiß nicht.«
    Hannibal Reed knurrte. »Das wirst du aber wissen müssen, Milli, wenn du den Posten übernehmen willst, den ich für dich vorgesehen habe. Und du wirst auch überzeugter auftreten müssen. Habe ich dir schon das Beispiel der Tabakindustrie erzählt?«
    »Ja, Vater.«
    »Ein exzellentes Beispiel«, fuhr Reed fort, ohne ihre Antwort zu beachten.
    Millicent hatte ihren Vater bei Familienessen und Empfängen schon x-mal diese Geschichte erzählen hören. Im Jahr 1953 hatten Forscher des New Yorker Sloan-Kettering-Instituts nachgewiesen, dass der Teer der Zigarette, auf die Haut von Mäusen appliziert, tödlichen Krebs verursachte. Die Presse hatte die Neuigkeit verbreitet und der Tabakindustrie damit ernsthaft geschadet. Also hatten die Tabakhersteller zu einem angemessenen Gegenschlag ausgeholt.
    »Glaubst du etwa, die vier größten amerikanischen Tabakproduzenten hätten einfach tatenlos zugesehen, wie irgendwelche Wissenschaftler ihr Produkt kaputt machen, nur weil sie glauben, sie hätten recht?«, schimpfte Hannibal Reed, der allmählich in Rage geriet. Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarre und lief auf und ab wie ein Anwalt bei seinem Plädoyer. »Natürlich nicht! Sie haben reagiert und sind zum Gegenangriff übergegangen. Sie

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