Wehrlos: Thriller
Abteilung ›Medizin‹ ein Buch über Rückenmarksverletzungen und ein anderes über die Regeneration von Herzgewebe aus. Am 9. Juni bringt sie beide Bücher zurück und leiht Better Humans? The Politics of Human Enhancement and Life Extension sowie Human Enhancement aus, eine Ode an den Menschen der Zukunft, in der alle perspektivischen Lösungen vorgestellt werden, um den kranken Menschen zu heilen, aber auch den Zustand des gesunden zu verbessern, geschrieben von Nick Bostrom.«
»Dem Schweden?«
»Richtig. Der Philosoph und Wissenschaftler, der die World Transhumanism Association gegründet hat, die transhumanistische Bewegung.«
Kirsten verzog zweifelnd den Mund. »Das sagt mir vage etwas, ja.«
»Es ist eine philosophische Denkrichtung, die davon ausgeht, dass die Conditio humana, wie wir sie kennen, keine starre Konstante für die Ewigkeit ist, sondern etwas, das sich in unserem Jahrhundert grundlegend verändern wird. Insbesondere durch die Technologie.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Sie hassen uns.«
»Euch?«
»Die Umweltschützer! Sie bezeichnen uns als Biokonservative oder auch Anarcho-Primitivisten, so in der Richtung. Sie sind der Meinung, dass wir prinzipiell jeden technischen Fortschritt ablehnen und die Entwicklung der Menschheit bremsen. Wir sind ihr erklärter Feind.«
Sie fuhr fort: »Egal. Am 10. Juni kommt Christa und leiht dieses Mal Stem Cells: a Cellular Fountain of Youth und Stem Cell Biology in Health and Disease aus. Zwei recht komplexe wissenschaftliche Werke über Stammzellen. Von Mitte Juni bis Mitte Juli und von Ende Juli bis Ende August liest sie wieder zeitgenössische dänische, französische, schwedische Autoren … wie gewohnt. Mitte Juli und Anfang August war sie jeweils eine Woche nicht in der Bibliothek, weil sie auf Reisen war.«
»Was schließt du daraus?«
»Dass sie in diesen Büchern gefunden hat, was sie suchte.«
Rachel trank ihren Kaffee aus. »Ich habe diese wissenschaftlichen, sehr komplizierten Bücher überflogen, ohne eine klare Fährte herausarbeiten zu können. Deshalb meine Frage: Weißt du, was man heute mit Stammzellen machen kann?«
Kirsten beugte sich vor. »Es gibt in unserem Organismus nicht › eine ‹ Stammzelle, sondern viele verschiedene. Sie haben alle die Gemeinsamkeit, dass sie sich von selbst erneuern und in verschiedene Zelltypen differenzieren können. Muskelzellen, Leberzellen …«
»Wächst der Schwanz des Salamanders dank dieser Reserve nach, wenn man ihn abschneidet?«
»Genau. Man findet sie auch beim Embryo, beim Fötus, in der Nabelschnur. Und auch beim Erwachsenen, wenn sich die Organe gebildet haben, bleibt dank der gespeicherten Stammzellen, die im Körper verteilt sind, eine gewisse Regenerationsfähigkeit erhalten.«
»Und weißt du, ob sie ein krankes Herz oder eine Rückenmarksverletzung heilen könnten?«
»Vielleicht haben die Wissenschaftler entsprechende Studien durchgeführt. Hierzu müsste ich, um ehrlich zu sein, mein Wissen auf den neuesten Stand bringen.«
Kirsten schwieg einen Moment, in Gedanken versunken. Dann holte sie ihr Handy heraus, um eine SMS zu schreiben. »Ich werde versuchen, mehr darüber zu erfahren«, erklärte sie.
»Wem schreibst du?«
»Einem Freund.«
Die Physiotherapeutin hatte dies gesagt, ohne den Blick zu heben, und es entging Rachel nicht, dass sich ihre Wangen leicht gerötet hatten. Sie war überrascht, dass Kirsten, diese Naturgewalt, plötzlich fast schüchtern wirkte. Sie trank ihren Cappuccino und behielt ihr Handy in Erwartung einer Antwort in Reichweite. Es begann zu vibrieren. Kirsten ging sofort dran, und das Lächeln bestätigte Rachels Vermutung. Sie ist verliebt . Rachel nahm die Zeitung und tat so, als würde sie sich in die Fußballergebnisse vertiefen. Als Kirsten das Gespräch beendete, setzte sie eine unbeteiligte Miene auf.
»Hast du jetzt noch etwas Zeit?«
»Ja, Carol, die Schulhelferin, betreut Sacha bei uns zu Hause.«
»Okay. Ist es dir recht, einen Abstecher ins Riget zu unternehmen?«
Das Programm des Wäschetrockners war beendet. Kirsten und Rachel brachen auf, nachdem Kirsten die saubere Kleidung in eine Sporttasche gepackt hatte.
■ ■ ■
Die beiden jungen Frauen liehen sich an der City-Bikes-Station in N ø rrebro Fahrräder aus und legten die zwei Kilometer, die sie vom Gelände des Riget trennten, in sieben Minuten zurück. Um die Mittagszeit herrschte in der Universitätsklinik Hochbetrieb, es ging zu wie in einem geschäftigen weißen
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