Wehrlos: Thriller
Bienenstock. Sie stellten ihre Fahrräder vor dem Krankenhaus ab und gingen die Hauptallee hinauf, die zum mittleren Teil des H-förmigen Gebäudes führte.
»Anscheinend verbringe ich hier mein Leben«, bemerkte Rachel mit einem Anflug von Bitterkeit.
»Ich auch«, antwortete Kirsten.
»Magst du diesen Ort?«
»Ich arbeite hier.«
»Ich bewundere so aufopferungsvolle Leute wie dich«, sagte Rachel aufrichtig.
»Schau, das Labor ist da drüben«, erwiderte die Physiotherapeutin, ohne darauf einzugehen. »Ich stelle dich meinem Kumpel vor und gehe dann. Ich muss ins Zentrum, ich habe gleich einen Patienten.«
Das Danish Laboratory for Stem Cell Research, DLSC , war 2002 aus öffentlichen und privaten Mitteln, überwiegend von der pharmazeutischen Industrie, gegründet worden. Ihm gehörten vier Hauptlabors und sechs angeschlossene Forschungszentren an, die über das Land verteilt waren. Eines dieser Zentren hatte in einem roten Ziegelgebäude an der Rückseite des Krankenhauses Quartier bezogen. Ein großer Mann mit blondem Bürstenschnitt und einem strahlenden Lächeln öffnete den beiden jungen Frauen und bat sie in das hochmoderne Labor. Weiß, hell, abstrakte Gemälde an den Wänden. Man spürte, dass hier viel Geld im Spiel war. Der Mann umarmte Kirsten zur Begrüßung.
»Lange nicht gesehen, Kiki!«
Kirsten versetzte ihm einen Rippenstoß. »Hüte dich, mich noch einmal so zu nennen. Wo warst du denn in den letzten Wochen? Du kommst gar nicht mehr ins Training!«
»Ich arbeite an einer umfangreichen Publikation«, entschuldigte er sich. »Ich verspreche dir, dass ich ab November wieder mitmache.«
»Versprechungen …«
Kirsten, die sich plötzlich wieder an Rachels Anwesenheit zu erinnern schien, wandte sich um. »Darf ich dir Rachel vorstellen, die Mutter eines meiner kleinen Patienten. Sie wird auch bei uns mitspielen. Rachel, das ist Alek, ein Spieler aus dem Volleyballteam, der hier arbeitet.«
Sie wandte sich wieder dem jungen Mann zu. »Wir brauchen dein Wissen.«
Wenige Minuten später bat Alek sie, Kittel anzuziehen, und führte sie durch das Zentrum. Die Hände in den Taschen, wirkte er wie ein Student. Während der Besichtigung erläuterte er ihnen in groben Zügen seine Forschungsarbeit.
Rachel fragte sich, ob sie nicht ihre Zeit vergeudete. Kirsten ging mit Alek voran, sie war sichtlich begeistert, hier zu sein. Die beiden scherzten wie alte Freunde. Aus Höflichkeit lauschte Rachel geduldig den Erläuterungen über die Restrukturierung der Forschung und über die Gesetzeslage. Kirsten kam auf die Probleme zu sprechen, von Ärzten ernst genommen zu werden. Flüchtig hatte Rachel den Eindruck, das dritte Rad am Wagen zu sein, und fragte sich schon, ob Kirsten nicht einfach vergessen hatte, warum sie hier waren. Am Ende eines weiß gekachelten Korridors musste sie, zusätzlich zu dem Kittel, eine Haube und Schutzschuhe überziehen. Dort verabschiedete sich Kirsten von ihnen.
»Ich muss los. Alek, wie ich dir schon sagte, braucht Rachel Infos über die Zelltherapie. Hat mich gefreut, dich zu sehen. Und lass uns nicht im Stich beim Volley.«
»Ciao. Ich melde mich.«
Sie verabschiedeten sich. Widerstrebend machte Kirsten kehrt. Alek klatschte in die Hände. »Gut, dann mal los! Welchen Hintergrund hast du?«
»Ich habe einen Master in Umweltbiologie.«
»Perfekt. Ja, dann erzähl ich dir etwas über die Grundlagen, und du unterbrichst mich, wenn du es nicht verstehst oder es im Gegenteil zu simpel findest. Ich habe zwanzig Minuten Zeit, also machen wir schnell.«
Sie betraten einen Bereich mit noch höheren Sterilitätsanforderungen, wo sich etwa zehn Forscher über die Arbeitstische und ihre Reagenzgläser beugten. Im Hintergrund ertönte klassische Musik aus dem Radio. Alek öffnete einen Kühlschrank und holte einen durchsichtigen Behälter heraus, den er unter ein Mikroskop stellte.
»Es gibt vier Typen von Stammzellen«, erklärte er. »Zuerst einmal die, die man in einem seit ein bis vier Tagen befruchteten Ei findet. Reimplantiert man eine Einzige davon in einen Uterus, kann sie ein gesundes Baby hervorbringen. Man nennt diese Zellen › totipotent ‹ , also fähig, ein komplettes Lebewesen hervorzubringen.«
Rachel registrierte die Information. Alek schaltete den Bildschirm ein, der zu dem Mikroskop gehörte.
»So, nun schau sie dir an.« Auf dem Bildschirm war eine Art dicke Zelle zu sehen, die durchscheinende Klümpchen enthielt. »Das ist ein fünf Tage alter Embryo.
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