Wehrlos: Thriller
möchte demjenigen Ehre erweisen, der den Anstoß zu diesem Bericht gegeben hat und das Ende seiner Arbeit leider nicht erleben kann. Ihr erinnert euch sicher alle an Jesus, nicht wahr? Ihm ist es gelungen, ins Zentrum des feindlichen Netzes vorzudringen und sich als einer der Ihren in die Bewegung einzuschleusen, um die Finanzierungswege zurückzuverfolgen. Vor drei Monaten, nachdem ein Großteil seiner Arbeit erledigt war, hatte er einen schweren Unfall. Ich denke jeden Tag an ihn, heute ganz besonders.«
Rachels Stimme wurde brüchig. In den Augen ihrer Mitstreiter las sie Mitgefühl, Solidarität und Entschlossenheit. Alle erhoben sich gleichzeitig, und jeder kehrte an seine Arbeit zurück, stolz darauf, einer Organisation anzugehören, die es wagte aufzubegehren.
Rachel schloss Joanna kurz in die Arme. »Du siehst prächtig aus, das freut mich.«
Joanna lächelte. »Rosa und Gelb passt gut zusammen!«
»Du hast überhaupt keine gelben Augen mehr …«
»Das war ein Scherz. Hut ab für deine Ermittlungen.«
Rachel nahm keinerlei Ironie in ihrer Stimme wahr. Also wagte sie sich vor. »Ich konnte nicht mit dir darüber sprechen, tut mir leid, aber so lautet die Regel.«
»Kein Problem. Ich kenne sie genauso gut wie du.« Joanna wirkte aufrichtig. Peter und Rachel hatten ihre Professionalität unterschätzt. Rachel bedauerte, an ihrer Freundin gezweifelt zu haben. Joanna fuhr fort: »Wenn ich irgendetwas tun kann, um dir bis morgen zu helfen, wenn es ein Frühstück für die Zeitungsleute oder sonst etwas ist, sag es mir bitte. Ich möchte schnell wieder in die Arbeit einsteigen.«
Rachel nickte. »Ich kann gut ein wenig Unterstützung bei der Vorbereitung des Saals, beim Projektionsmaterial und so weiter brauchen … Um sechzehn Uhr muss alles fertig sein, danach muss ich los und Sacha im Riget abholen.«
»Wie geht es ihm übrigens?«, fragte Joanna.
»Lass uns zusammen zu Mittag essen. Dann erzähle ich dir diese verrückte Geschichte«, antwortete Rachel.
»Okay. Und diesen Bericht, zeigst du mir den?«
Rachel zögerte kurz. »Ich kopiere ihn dir auf einen USB -Stick. Aber das musst du für dich behalten, kein Wort zu Peter, okay?«
Als Rachel ihr Büro betrat, verspürte sie eine gewisse Erleichterung, dass diese Sache nun bald abgeschlossen und sie das Geheimnis los sein würde, das sie belastete. Es hatte sie, die sich gerne mitteilte und mit anderen austauschte, enorm viel Energie gekostet, alle Informationen so lange vertraulich behandeln zu müssen. Vorbei . In diesem Moment sah sie den kleinen weißen, an sie adressierten Umschlag ohne Briefmarke, der auf ihrem Schreibtisch lag. Sie hätte schwören können, dass er vor einer Viertelstunde noch nicht da gewesen war. Rachel ließ sich auf ihren Bürostuhl fallen und öffnete ihn. Sie entfaltete einen Brief, der nur aus wenigen Worten bestand:
T RENNE DIE S PREU VOM W EIZEN .
Claus Dalby.
Darunter war die Kopie eines Artikels aus der Sunday Times angeheftet, der Sonntagszeitung Südafrikas. Ein Schwarz-Weiß-Foto mit einem kurzen Artikel aus dem Jahr 2001 . Rachel betrachtete prüfend das Foto, auf dem sie ohne Mühe Samuel erkannte. Sie las den Artikel und spürte, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte. Sie schloss die Augen. Nicht er . Vom Flur aus beobachtete Joanna durch die Glasscheibe aufmerksam ihre Freundin. Sie sah, wie Rachel den Brief zusammenfaltete und in ihre Tasche steckte.
KAPITEL ZWEI
Am Nachmittag zogen am Himmel dunkle Gewitterwolken auf, und der strömende Regen vertrieb die Spaziergänger wie einen Schwarm aufgeregter Spatzen, die Tische der Straßencafés wurden hastig abgeräumt, und die am Kai festgemachten Boote schaukelten heftig im aufkommenden Wind. Rachel hatte nicht warten können, bis das Unwetter abgezogen war, und ärgerte sich, dass sie sich ausgerechnet heute für das Fahrrad und die U-Bahn entschieden hatte, um durch die Stadt zu kommen. Sie hatte gedacht, es würde Sacha gefallen, auf dem Rückweg mit der Bahn zu fahren. Der kleine Junge liebte die Fahrt mit dem vollautomatischen und fahrerlosen Zug, sofern sie einen Platz im ersten Wagen bekamen und er durch das große Fenster beobachten konnte, wie der Zug über die Schienen brauste.
Als sie im Krankenhaus eintraf, war das Schlimmste vorüber, und es tröpfelte nur noch. Zu spät, denn sie war bereits klatschnass. Sie stellte das Fahrrad vor dem Riget ab und lief schniefend auf das Gebäude zu. Rachel band ihre nassen Haare zu einem Pferdeschwanz
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