Wehrlos vor Verlangen
damit gebrandmarkt. Denn jedes Mal, wenn er sie jetzt anschaute, würde er sie daran erinnern, dass er sie gekauft hatte.
„Du glaubst, du kannst alles kaufen, nicht wahr?“, fragte sie schneidend. „Du besitzt keinerlei Verständnis für den Wert von Geld. Vermutlich ist das so, wenn man reich geboren wird.“
Bei ihrem Ausbruch hatte sich seine Miene verdüstert. „Ich bin nicht reich auf die Welt gekommen.“ Er lachte hart auf. „In meiner Familie gab es kein riesiges Herrenhaus, das von Generation zu Generation weitervererbt wurde. Ich habe weder eine privilegierte Kindheit gehabt noch habe ich an einer Elite-Uni studiert. Ich wurde auf einer kleinen Insel namens Angistri geboren, in einem kleinen Haus ohne fließendes Wasser. Ich ging davon aus, dass ich ein Leben als Ziegenhirt führen würde. Und ich hatte nicht vor, die Insel zu verlassen, auf der meine Familie seit Generationen lebte.“
„Aber warum hast du sie dann verlassen?“ Dass er sein riesiges Vermögen keineswegs geerbt hatte, machte Tahlia vollkommen perplex.
„Den Anstoß gab eine Engländerin namens Wendy Jones.“ Die Verbitterung in seiner Stimme ließ sich nicht unterdrücken. „Sie war die Geliebte meines Vaters. Mein Vater hat sich von meiner Mutter scheiden lassen, um seine Mätresse heiraten zu können. Wendy Jones hatte damals eine Villa auf Angistri gekauft und meinen Vater für Renovierungsarbeiten angeheuert. Aber scheinbar wollte sie mehr von ihm als nur seine handwerkliche Geschicklichkeit. Als er ein paar Monate später die Bombe platzen ließ und meiner Mutter eröffnete, dass ihre Ehe zu Ende sei, war sie am Boden zerstört. Mein Vater zahlte uns keinen Penny Unterstützung. Damals war Melina drei – und ich fünfzehn. Ich habe die Schule abgebrochen, mein wahres Alter verheimlicht und mir einen Job gesucht, um meine Familie zu ernähren. Mir blieb keine andere Wahl, denn mein Vater war zu besessen von seiner neuen Liebe, um auch nur einen Gedanken an seine Familie zu verschwenden. Damals habe ich allen Respekt vor meinem Vater verloren“, fuhr er verächtlich fort. „Wegen einer Frau hat er sich zum Narren gemacht und seine Familie im Stich gelassen. Wendy war es auch gleich, dass sie eine Familie zerstörte, sie wollte ihn unbedingt …“
Abrupt brach er ab. Tahlia fühlte, wie die Wut ihn in großen Wellen überrollte. Kein Wunder, dass Thanos überzeugt gewesen war, sie hätte seiner Schwester den Mann gestohlen. Schließlich war seine Familie von der Geliebten seines Vaters zerrissen worden. Für ihn musste es ausgesehen haben, als würde die Geschichte sich bei seiner Schwester und ihrem Mann wiederholen.
„Ich habe nie wieder mit meinem Vater gesprochen“, fuhr er grimmig fort. „Anderthalb Jahre nach der Hochzeit kam er bei einem schrecklichen Unfall ums Leben. Wendy bestand auf einem Swimmingpool. Bei den Baggerarbeiten kippte der Bagger um und zerquetschte meinen Vater.“ Auf Tahlias entsetzten leisen Laut achtete er nicht. „Mein Vater hat kein Testament hinterlassen. Darum ging sein gesamter Besitz an seine neue Ehefrau, also auch unser kleines Haus. Eine Woche nach der Beerdigung verlangte Wendy, dass wir ausziehen. Es war der endgültige Schlag für meine Mutter, aus ihrem Heim vertrieben zu werden. Sechs Monate später starb sie an einer Lungenentzündung. Von da an blieb es mir überlassen, mich um Melina zu kümmern. Sie war damals gerade fünf alt.“
Tahlia versuchte, sich Thanos mit siebzehn vorzustellen – ein Junge, der über Nacht zum Mann werden musste. Er hatte die Verantwortung für seine kleine Schwester übernommen, während er selbst um seine Eltern trauerte. „Du musst ein enormes Verantwortungsgefühl für sie empfinden“, murmelte sie.
Blitzende Augen brannten sich in ihre. „Ich würde mein Leben für sie geben“, stieß er aus. „Ich habe meiner Mutter auf dem Sterbebett das Versprechen gegeben, dass ich mich immer um Melina kümmern werde. Als ich nach ihrem Unfall zum Krankenhaus kam und man mir sagte, dass ihre Überlebenschancen weniger als fünfzig Prozent betrugen …“ Er schluckte hart. „Ich habe versagt, ich habe sie nicht beschützt.“
Die Qual in seinem Blick schockierte Tahlia. Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass er seine Schwester anbetete. Nein, er war nicht der harte, herzlose Mann, wie sie anfangs angenommen hatte. Sollte er sich jemals verlieben, würde er sein Herz ganz und gar geben. Seine Gefühle gingen sehr tief. In diesem Moment
Weitere Kostenlose Bücher