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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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endlosen Autobahn an, die sich bis weit hinter den sichtbaren Horizont erstreckt. Ohne irgendwelche Straßenschilder, die mir sagen könnten, wie weit ich schon gekommen bin oder wie viel ich noch vor mir habe. Ich kann mir nicht einmal sicher sein, dass ich genug Treibstoff habe, um die Strecke zu bewältigen, vor allem, weil ich keine Ahnung habe, wo ich eigentlich hinfahre. Ich fahre einfach nur. Wenn ich angekommen bin, werde ich es wohl merken. Inzwischen glaube ich, dass wir alle zwar die besten Absichten haben, aber dennoch alle so ziemlich auf demselben Weg sind und unseren Kindern schweren psychologischen Schaden zufügen. Sobald man diese Tatsache einfach akzeptiert, fühlt man eine ungeheure Erleichterung – fast wie bei Valium. Nicht, dass ich wüsste, wie sich Valium anfühlt.
    Wenn es irgendeine von uns schafft, diese Einbahnstraße zum elterlichen Versagen zu umgehen, dann wird es Tam sein. Und ich will fair sein, sie verdient diesen Erfolg. Sie ist das kleine rote Huhn unter uns, das fragt: »Wer kommt mit zu einem Vortrag vom Ministerium für Sport und Freizeit über aktive Kinder?« »Ich nicht!«, sage ich. »Ich nicht!«, sagt Helen. »Dann gehe ich eben allein.« Und schon trabt sie mit ihrem Notizbuch los. Wenn sie zurückkommt, ist sie stets bis an die Zähne mit neuen Theorien bewaffnet: Fernsehen verursacht das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Impfungen verursachen Autismus. Zucker verursacht Hyperaktivität. Und Gluten ist einfach an allem schuld, von Depressionen bis zur Schizophrenie. Aber anscheinend ist es gerade fürs Bettnässen nicht verantwortlich.
    Helen und ich haben früher unter vier Augen gewitzelt, dass Tams Mann Kevin, einer der besten plastischen Chirurgen in Sydney, der fickenswerteste aller unserer Männer sei. Er hat diesen mageren, hungrigen Sexappeal und verströmt die Arroganz von Männern, die an den Gesichtszügen von Frauen herumwerkeln und Details ausschneiden oder einsetzen, wie andere es in einem unordentlichen Word-Dokument machen. Er spricht von sich selbst in der dritten Person als »Der Doktor«, hörbar groß geschrieben – ich meine, kann man so einen Kerl überhaupt ernst nehmen? Die Tatsache, dass man sechs Monate im Voraus einen Termin vereinbaren muss, um auf seine Operationsliste für Brustimplantate oder Liftings zu kommen, fördert bei ihm wohl die Einbildung, er sei Gottes Gabe an die Frauen. Einmal hat er mich angebaggert. Zugegeben, er war betrunken und ich habe, ganz harmlos, ein bisschen mit ihm geflirtet. Aber ich hätte mich beinahe an meinem Wodka verschluckt, als er sich vorbeugte und mir ins Ohr flüsterte: »Der Doktor würde deine Brüste ganz umsonst untersuchen.« Kevin ist sexy, wenn man auf das Gefühl steht, als Beute gejagt zu werden. Aber wenn der Ehemann einer Freundin in deren Hörweite versucht, dich anzumachen, wird es höchste Zeit, sich ein anderes Ziel für den Cocktailparty-Flirt auszusuchen. Ich will auf keinen Fall, dass Tam denkt, ich stehe auf ihren Mann. Denn das tue ich nicht. Ich mag zwar selber gelegentlich Phantasien von anderen Männern haben – das ist völlig normal, oder? –, aber ich würde sie nie in die Wirklichkeit umsetzen. Ich habe Helen von der Anmache erzählt. Wir waren uns einig, dass er ein Fiesling ist. Trotzdem machen wir keine Witze mehr über Kevin. Nicht, seit Tam vor zwei Jahren diesen (inoffiziellen) Nervenzusammenbruch hatte. Helen zufolge ging das Gerücht um, dass Kevin sie betrügt. Wer weiß? Vielleicht hat er das, aber es spielt keine Rolle. Tam jedenfalls war fix und fertig.
    Seitdem nimmt sie Prozac und hat viel abgenommen. Ereka witzelt immer, dass sie es auch mal damit versuchen sollte – sie kämpft gegen überflüssige Pfunde im Wert von sechs Neugeborenen. Aber sie wird kein Prozac nehmen. Sie ist entschlossen, sich dem Leben in seiner ganzen scheußlichen Realität zu stellen und ihren Frieden damit zu machen. Tam, die sonst immer so gegen Medikamente wettert, sieht den scheinheiligen Widerspruch nicht einmal. Das gehört alles zu ihrer altruistischen Rolle – sie wirft die Pillen ja nur ein, weil sie dadurch zu einer besseren Mutter wird. Das Motto ihrer Erziehung im Pfadfinderinnen-Stil lautet, »für ihre Jungs da zu sein«.
    Ich erreiche die Haustür, als es zum zweiten Mal klingelt. »Ich komme schon«, sage ich und kichere beim Gedanken daran, was mir als Motto für Helens und meine Art des Mutterseins einfallen würde: »Mami geht jetzt, seid brav.«

2 Der

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