Weiberabend: Roman (German Edition)
sich das Haar föhnen und die Fingernägel maniküren, während sie Seite an Seite ihren frisch gepressten Saft aus Ananas, Wassermelone und Minze genießen. Ben, Fis Ehemann, ist Antiquitätenhändler und verbringt mehr Zeit in Übersee als zu Hause. Aber Fi lässt ihn gewähren, ohne sich zu beschweren oder ihm ein schlechtes Gewissen zu machen. Sie scheint von uns allen die Autarkste zu sein, trotz ihrer Besessenheit, ihr Haus sauber und ordentlich zu halten. Und jetzt dieser neue Kickbox-Trip.
Oft sitzt sie nur stumm unter uns, sie spricht kaum über sich oder ihre Beziehung zu Ben, während wir alle vor uns hin ratschen und regelmäßig auf vulgäre Weise die respektablen Grenzen des »zu viel preisgeben« überschreiten. In seltenen, nachdenklichen Augenblicken der Ruhe habe ich manchmal das unschöne Gefühl, dass ich ihr zu viel von mir enthüllt habe, ohne entsprechende Erwiderung. Und sie ist zwar an sich kein Mensch, der andere verurteilt, aber allein ihr Schweigen wirkt auf mich wie eine stumme Kritik.
»Du meine Güte, Fi, du riechst zum Anbeißen«, sage ich.
Sie lacht. »Ben kann den Geruch dieser ganzen Öle nicht ausstehen. Er sagt, sie würden meinen natürlichen Geruch verschleiern …«
»Das ist doch toll«, sage ich. Jeder Mann, der den natürlichen Duft eines Frauenkörpers mag, ist in meinen Augen ein Prinz. Und ganz kurz erscheint mir ein Bild von Ben vor Augen, während er es Fiona mit dem Mund macht. Ich habe noch nie in einem sexuellen Zusammenhang an Ben gedacht (er ist zweiundsechzig, Herrgott noch mal), und mir wird ein bisschen heiß, obwohl ich nicht recht weiß, ob vor Erregung oder Verlegenheit.
***
Ereka kommt eine Stunde zu spät. Aber mit einer kleinen Tasche Übernachtungsgepäck (nur für alle Fälle). Tapferes Mädchen. Als sie hereinwatschelt, eingehüllt in einen lavendelfarbenen Pashmina-Schal, der ihr prächtiges rotes Haar leuchten lässt, haben alle (außer Tam und Liz) schon mindestens zwei Daiquiris intus. Sie sieht ein wenig verwirrt und abgespannt aus, klimpert aber von den Ohren bis zu den Fingern, ihre dicken Handgelenke und der Hals sind mit Silber und Perlen bedeckt – ganz die Künstlerin, selbst dann noch, wenn sie todmüde ist. Sie hält schnurstracks auf den mit Essen beladenen Tisch zu und bricht beinahe in Tränen aus, als sie das ausgebreitete Festmahl betrachtet. »Oh, wow«, sagt sie. »Ich vergesse doch immer, wie göttlich es mit euch allen ist …« Damit schiebt sie sich ein Sushi-Röllchen in den Mund. Sie wird in unserer Mitte aufgenommen wie ein verlorenes Lamm, und bald haben das Lachen, die Scherze, das Kreischen und die Albernheit die düstere Müdigkeit aus ihrem Blick vertrieben. Bereits zwanzig Minuten später steht sie draußen auf dem Balkon, einen Joint in der Hand, und die abendliche Brise bläst ihr das kupferrote Haar in verführerischen Strähnchen ins Gesicht. Sie ist wieder jung und frei und schön, nicht mehr die Mutter eines geistig behinderten Kindes. Nicht darum besorgt, wie sie einem fast fünfjährigen Kind abgewöhnen soll, weiterhin an ihren vom Stillen arg mitgenommenen Brustwarzen zu saugen. Sie ist nur ein Mädchen, mit Hoffnungen und Träumen, noch nicht vom grausamen Leben abgestraft.
***
Wie wir uns alle kennengelernt haben? Das ist keine besonders aufregende Geschichte. Wir haben uns in der Vorschule unserer Kinder kennengelernt und dort all diese relativ neuen Beziehungen geknüpft. Bevor ich Kinder hatte, hat mir nie jemand erzählt, dass ich durch sie einigen meiner liebsten und engsten Freundinnen begegnen würde. Kindergärten und Vorschulen sind unglaubliche Reservoirs von Frauenfreundschaften und eine stark unterschätzte Quelle neuer Verbindungen. Uns alle eint die gleiche Erschöpfung. Wir sind alle gleichermaßen belastet mit den ungeheuerlichen Belanglosigkeiten, die die Sorgen um kleine Menschen mit sich bringen. Das gleiche niederschmetternde Gefühl, als Mutter versagt zu haben, wenn unsere Kinder stehlen, andere quälen oder anscheinend viel zu lange nicht aus dem Trotzalter herauswachsen, nagt an unserer verfallenden Selbstachtung. Wir sind Schwestern, die den gleichen Kampf ausfechten, still und jede für sich allein. Hinter jeder unserer geschlossenen Vorstadt-Haustüren verhallen die gleichen Schlachtrufe nach Gleichberechtigung und Anerkennung unseres Wertes als menschliche Wesen.
Die Verbindung zu anderen Müttern gibt mir Trost, durch das Wissen, dass ich mich zwar manchmal in meiner
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