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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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spektakulären Augenfarbe braucht sie sich eigentlich nicht so stark zu schminken.
    »Allerdings. Essen ist eine der tröstlichsten Errungenschaften der Post-Neandertaler-Zivilisation«, sage ich mit dem Mund voll Cracker und Mascarpone. »Gott, ist das himmlisch …«, murmele ich.
    »Also, das ist der todsichere Weg zu einem übergewichtigen und deprimierten Teenager«, erklärt Liz spitz und streicht die Perlen ihres passendes Armbandes zurecht, die sich um ihr schmales Handgelenk schmiegen.
    »Zumindest wird sie keine Magersüchtige, die sich vor dem Essen fürchtet«, sage ich und gehe vom Tisch voller Essen zurück ins offene Wohnzimmer, um einen Teller Kanapees herumzureichen – Mozzarellabällchen, frisches Basilikum, sonnengetrocknete Tomaten und ein, zwei Kapern, aufgespießt auf Zahnstochern. »Futter ist dein Freund, kein Feind«, erkläre ich, indem ich das Zitat aus Findet Nemo abwandle. Die Anspielung versteht Liz natürlich nicht – wann hätte sie Zeit haben sollen, sich mit ihren Kindern Findet Nemo anzusehen?
    »Und fett ist traurig, nicht glücklich«, erwidert Liz und nimmt ein Mozzarella-Spießchen zwischen die dunkelroten Fingernägel. »Wie zum Teufel kriegst du die hin?«, fragt sie und untersucht das Kanapee.
    »Mit viel Liebe«, sage ich.
    »Mir wäre es lieber, wenn Nathan deine Essensphilosophie nicht zu Ohren kommt«, sagt Helen zu mir und nimmt sich drei Kanapees auf einmal.
    »Machst du dir immer noch Sorgen um sein Gewicht?«, fragt Tam und hält ein Spießchen in die Höhe, um es auf verstecktes Gluten zu untersuchen.
    »Na ja, den anderen Kindern fällt es jetzt auf, und sie fangen an, ihn zu hänseln«, sagt Helen mit vollem Mund.
    »Die arme Maus«, bemerkt Dooly. »Die sehen ja interessant aus«, sagt sie zu mir, nimmt sich jedoch kein Mozzarella-Spießchen. »Aber ich muss mir meinen Appetit aufsparen …«
    »Wofür?«, frage ich. »Für schlechte Zeiten?«
    Sie kichert. »Ich will mich nicht an gesundem Zeug satt essen, wenn so viel Schokolade auf mich wartet …«
    »Warum ziehst du nicht diesen Schal aus?«, frage ich sie. »Ist dir nicht heiß?«
    »Schon, aber ich habe Luke versprochen, dass ich seinen Schal den ganzen Abend lang tragen werde«, sagt sie verlegen. »Er hat ihn ganz allein gestrickt … Na ja, ich habe ihm ein bisschen dabei geholfen.«
    »Tja, er ist aber nicht hier«, sage ich. »Er wird es nie erfahren – behaupte doch einfach, du hättest ihn den ganzen Abend lang getragen.«
    »Das könnte ich nicht«, sagt Dooly.
    Ich zucke mit den Schultern. »Ich bin sicher, es gibt irgendeinen medizinischen Fachausdruck für dein Leiden«, sage ich zu ihr. »Zwanghafte Ehrlichkeit, oder irrationaler Wahrheitswahn.«
    »Ich würde mir keine Sorgen wegen Nathan machen«, sagt Fiona zu Helen. »Er wächst ja noch – das ist nur Babyspeck.«
    »Der sich allmählich in Kinderfett verwandelt«, sagt Helen. »Du solltest ihn mal auf dem Fußballplatz sehen, sein Bauch wabbelt und seine Oberschenkel reiben sich aneinander, es ist jämmerlich.«
    »Klingt ganz nach mir«, sage ich.
    ***
    »Alle glauben, nur Mädchen müssen sich Sorgen machen, dass sie nicht zu dick werden, aber ich sage euch, Jungs können genauso grausam sein«, sagt Helen.
    Ich lächle Helen grimmig an – mein Sohn Aaron ist einer dieser »Jungs«. Das ist eine Schande, der ich trotz geschickten Leugnens aber nicht ausweichen kann: Ich habe ein Kind hervorgebracht, das (man möge mir den Gebrauch von Schubladen verzeihen) ein kleines Ekel ist und andere Kinder schikaniert. Ich tröste mich manchmal mit Tierdokus im Discovery Channel. Löwen jagen Gazellen. Krokodile verschlingen Giraffen. Grausamkeit bedeutet in der Natur Überleben. Mein Sohn ist ein Jäger, der die Schwachen und allzu Sanftmütigen erschnüffelt und aussortiert, die Kinder, die nie Schwierigkeiten machen, tun, was ihnen gesagt wird, tadellose Manieren haben und ihre Schokolade mit jedem teilen, der sie darum bittet. Erklärungen, was »inakzeptables Verhalten« bedeutet, kommen bei Aaron nicht an – ich vermute, es würde ebenso viel nützen, der Katze einen strengen Vortrag zu halten, weil sie diesen Vogel getötet hat.
    Vor ein paar Monaten bekam ich einen Anruf von Gretchen Oates, seiner Vorschullehrerin. Sobald mein Herz aufgehört hatte zu hämmern (es war kein Anruf von der Sorte »Wir haben den abgetrennten Finger gefunden« oder »Keine Sorge, er atmet noch«), bat sie mich, »vorbeizukommen, damit wir uns mal über Aaron

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