Weiberabend: Roman (German Edition)
einziehen und ein gemeinsames Bankkonto eröffnen, und das alles nach der ersten Verabredung. Mit drei kleinen Kindern zu Hause, einem Babysitter, der mit schwedischer Genauigkeit pro angefangener Stunde abrechnet (und seien es zwei Minuten), und einem von ihren Schwangerschaften gezeichneten und vernarbten Bauch, meint sie, sei es leichter, einen Triathlon zu gewinnen als Romantik aufkommen zu lassen. Trotzdem bedrängen wir sie ständig und wollen neue Geschichten hören – von Sex unter Restauranttischen, vorzeitigen Ejakulationen, Analsex-Fetischisten und pornografisch aufgeheizten Fremden. Wir leben durch sie, und sie durch uns. Meistens, sagt sie, ist das Singledasein einfach nur einsam und traurig. Was würde sie nicht für ein wenig unkomplizierte männliche Gesellschaft geben, vor allem nachts, wenn sie Kopfweh hat oder eines der Kinder hohes Fieber bekommt. Einmal hat sie uns gestanden, dass Liam zu ihr kommt und bei ihr im Bett schläft, wenn sie sich besonders einsam fühlt. Ich hoffe, ich habe mir nicht anmerken lassen, wie schräg ich das finde. Ein achtjähriges Kind ist kein Ersatz für einen Liebhaber oder Partner. Aber Trost ist wohl Trost, nehme ich an.
***
Mit frisch beschnittenen Stengeln stehen die Tulpen in einer Vase mitten auf dem Tisch, bis Fiona ankommt (»Entschuldigung, ich musste nur noch mal schnell durchs Haus wischen, bevor ich gegangen bin, ich hasse es, wenn ich nachts in einen Saustall komme«). Sie duftet nach Lavendel und hat so ein feuchtes Glühen an sich, als hätte sie sich den ganzen Tag lang in einer Wanne mit ätherischen Ölen geaalt. Ihre langen, welligen, kastanienbraunen Haare glänzen, ihr Gesicht ist frei von Make-up, aber ihr Teint leicht von der Sonne getönt, so dass ihre grünen Augen umso strahlender wirken.
»Und, hast du schon jemanden k.o. geschlagen?«, frage ich, umarme sie und drückte das Gesicht in ihr Haar. Zitrusduft und die Aromen von Teebaumöl und Kamille heißen mich willkommen wie ein ganzes Bündel ausgestreckter Arme. Sie ist eine Wohltat für die Sinne, in einer lockeren, türkisfarbenen Baumwollbluse, ohne BH darunter – allerdings sind ihre Brüste so klein, dass ein BH die reinste Verschwendung wäre – und einer weiten, fließenden violetten Baumwollhose. Trotz des Wetters trägt sie Riemchensandalen, und ihre Füße sehen so gesund und stark aus, als wäre sie einmal quer durch Australien gelaufen.
»Liz hat mein neues Hobby also schon ausgeplaudert?«, fragt sie lachend.
»Hier gibt es keine Geheimnisse, Rocky«, sage ich.
»Du solltest mal mitkommen, es macht wirklich Spaß«, sagt sie zu mir. »Ein tolles Ventil für Aggressionen.«
»Ich habe keine Zeit«, erwidere ich. »Außerdem kann ich einfach gemein zu Frank sein, wenn ich ein bisschen aufgestaute Wut abreagieren muss …«
An einem Arm trägt sie einen Weidenkorb, der Inhalt ist in ein fuchsia- und scharlachrotes Tuch eingewickelt. »Öle«, sagt sie und deutet darauf. »Wir können heute Abend bestimmt ein bisschen Wellness vertragen … Oder irre ich mich da?«
»Wie recht du hast«, sage ich und führe sie hinein. Fiona hat so eine in sich ruhende Ausstrahlung, zu der sich das Chaos meiner impulsiven Neigungen einfach hingezogen fühlt. Sie hat zwar einen Uni-Abschluss in Mikrobiologie, hat sich aber vor zwei Jahren zur Aromatherapeutin qualifiziert und führt jetzt von zu Hause aus ein sehr erfolgreiches kleines Unternehmen, dem sie den charmanten Namen »earthtouch« gegeben hat, mit kleinem »e«. Trotz ihrer heilenden Persönlichkeit strahlt sie eine leichte Reserviertheit aus, die verlockend wirkt. Ihr Sohn Gabriel ist ein exzentrischer, aber liebenswerter Junge, der immer und überall eine Mundharmonika bei sich trägt und darauf besteht, »Norton« genannt zu werden – sein selbst gewählter Spitzname; Fiona vermutet, er hat ihn von der Schachtel, in der ihre Antivirus-Software geliefert wurde und in der er bereits mehrere Generationen Seidenraupen gezüchtet hat. Fiona hat außerdem noch eine siebzehnjährige Stieftochter aus Bens erster Ehe. Ihre Beziehung zu Kirsty könnte nicht besser sein. Jede Frau, die das Herz einer Stieftochter für sich gewinnen kann, ist ein Genie. Punkt. Stieftöchter sind im Allgemeinen niederträchtige, boshafte kleine Biester, die immer Rache an der Frau planen, die ihnen »ihren Vater weggenommen« hat. Nicht so Kirsty. Sie vergöttert Fiona, sie gehen zusammen Shoppen, verbringen einen Tag in einer Wellness-Oase, lassen
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