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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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Verbesserung in seinem Wohlbefinden festgestellt habe.«
    »Du musst die Entschlossenheit und Geduld einer Heiligen besitzen«, sagt Ereka voll aufrichtiger Bewunderung. Tam zuckt mit den Schultern, erglüht aber dennoch bei diesem Kompliment.
    Ereka hat diese großzügige Art, denn ihr eigener Schmerz ist nicht in Bitterkeit umgeschlagen. Ihre Körperfülle steht ihr, sie passt zu ihr, denn Großzügigkeit nimmt nun einmal nicht die Gestalt eines kantigen Skeletts an. Sie lobt jedes Gericht mit »Oh!« und »Ah!« und hat zu jedem Gang etwas Gutes zu sagen, über die prächtigen Farben, den Duft, die Präsentation. Für Menschen wie sie schufte ich gern den ganzen Tag am heißen Ofen. Als Teenager hat mich meine Obsession, meinen Seelenpartner zu finden, in die Stromschnellen der Enttäuschung getrieben – ich traf einen pickligen Jungen nach dem anderen, aber nicht einer von ihnen mochte ABBA, las Rilke oder konnte mein Sternzeichen erraten. Noch im flachsten Gewässer konnte ich der Erlösung ja nur näherkommen – jeder verworfene Kandidat brachte mich Dem Richtigen einen Schritt näher. Einen ganzen Sumpf voller Frösche zu küssen, war unerlässlich in diesem Eliminationsprozess. Genauso könnte ich an diesem Esstisch die Gleichgültigkeit aller anderen mit gutmütiger Resignation hinnehmen, denn Ereka ist ja da, die ultimative Lösung auf der Suche nach dem perfekten Gast. Sie ist die Sinnlichkeit in Person, schließt die Augen, um die seidige Konsistenz der Roten Bete in ihrem Mund wahrhaft zu schmecken, die kreidige Kühle eines rohen Champignons zwischen ihren Zähnen, das Bersten einer Zuckererbse, wenn man darauf beißt. Jeder, der wie Liz glaubt, fett könne nicht schön sein – seht einmal Ereka beim Essen zu.
    »Stillst du Kylie immer noch?«, fragt Tam sie.
    Ereka nickt müde.
    » Du bist die Heilige«, sagt Tam. »Das ist erstaunlich.«
    Ich halte den Mund. Wenn irgendjemand anderes hier ein Vorschulkind noch stillen würde, hätte ich eine Menge dazu zu sagen. Wenn ein Kind formulieren kann: »Mami, wäre das nicht der angemessene Zeitpunkt, deine Brust hervorzuholen und mir etwas zu trinken zu geben?«, dann ist es höchste Zeit, damit aufzuhören. Aber in Erekas Fall gelten andere Maßstäbe. Wir alle halten uns mit Kritik sehr zurück. Wer sind wir schon, dass wir uns ein Urteil über sie erlauben könnten? Insgeheim haben wir das Gefühl, dass Ereka über den Gesetzen der Mutterschaft steht, die für uns andere gelten.
    Fiona hat sich zurückgehalten und gewartet, bis sich alle bedient haben, bevor sie sich in die Nähe des Essens gewagt hat. Sie hat eine Anmut an sich, als fühle sie sich ohnehin reich und erfüllt genug, und das verleiht ihrem mangelnden Drang, sich sofort Essen aufzutun, eine gewisse Würde. Entweder ist das die Zurückhaltung wohlerzogenen Maßhaltens, oder Selbstbeherrschung, getarnt als Höflichkeit. Sie würde niemals als Erste einen Kuchen anschneiden oder die Oberfläche einer dampfenden Pastete aufschlitzen. Sie strahlt eine Aura von »es ist immer genug da« aus, die ich mir zu gerne mal ausborgen würde, um den Impuls meines carpe-diem -Appetits zu zügeln – in Kooperation mit Helen stachelt er mich nur zu oft dazu an, viel zu viel zu essen. Fiona zieht eine gutmütige Freude daraus, uns dabei zuzusehen, wie wir uns auf das Essen stürzen, und lässt sich dann von uns beraten, was »göttlich«, »göttlicher« oder »am göttlichsten« schmeckt. Wenn sie sich etwas nimmt, dann wie im Märchen von Goldlöckchen und den drei Bären – nicht zu viel, und nicht zu wenig. Eine genau richtige Portion. Und sie vergisst dabei nicht, Helen und mir für unsere Arbeit zu danken.
    Sie ist die einzige Mutter unter uns, die sich dafür entschieden hat, nur ein Kind zu bekommen, und sie besteht darauf, dass er »nur ein« Kind ist, und kein »Einzelkind«, eine Bezeichnung, die ein wenig nach Verzweiflung klingt. Während die meisten von uns es kaum erwarten konnten, das zweite, manche das dritte, in Helens Fall nun sogar das vierte Kind zu bekommen, »bevor die Älteste in die Schule kommt«, »bevor der Jüngste aus den Windeln raus ist«, »bevor die Eierstöcke den Geist aufgeben« oder »bevor die Wechseljahre, das Alter oder der Tod uns zuvorkommen«, war für Fiona Gabriel völlig ausreichend.
    »Was, wenn er sterben würde?«, habe ich sie einmal gefragt. »Würdest du es dann nicht bereuen, dass du nicht noch ein Kind bekommen hast?«
    Sie hat mich mit

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