Weiberabend: Roman (German Edition)
alles«, sagt Liz. »Wir behaupten gern, das Aussehen wäre nicht so wichtig, und solange unsere Kinder nicht leiden, ist alles in Ordnung. Ich sage euch, wann Kinder wirklich leiden – wenn sie als Teenager irgendwie nicht dazugehören. Und sie machen sich ständig Gedanken um ihr Aussehen. Schönheit ist ein großer Vorteil in diesem Alter, wenn sie so verletzlich sind.«
Diese Schmährede müssen wir erst einmal verdauen. Es ist schwierig, eine Diskussion gegen Liz zu gewinnen. Sie hat so ziemlich alles durchdacht.
»Ich würde meinen Kindern lieber die harte Realität des Lebens ersparen. Sie sind so klein und unschuldig, warum sollten wir das verderben?«, fragt Tam.
»Manche Kinder werden in die harte Realität des Lebens hineingeboren«, sagt CJ bitter. »Meine machen sich da keine Illusionen. Dafür hat schon ihr Vater gesorgt.«
Der »Vater«, CJs Exmann, ist der Dämon, auf den wir alle gern in anti-männlicher Wut eindreschen. Keine von uns hat Tom je persönlich kennengelernt, aber das hindert uns nicht daran, wüst über ihn herzuziehen; er ist ein Bastard, ein Scheißkerl, ein Arschloch, ein mieses Schwein und was uns sonst noch alles einfällt, als Refrain der Unterstützung für unsere Freundin CJ.
Zusammen mit Ereka, Helen und mir könnte CJ ein Weltklasse-Team bilden, wenn Essen als olympische Disziplin anerkannt würde. Von uns Vieren ist CJ die Einzige, durch die das Essen einfach hindurchwandert, ohne diese aufgepolsterten Spuren an Po, Oberschenkeln und Bauch magnetisch anzuziehen, mit denen die Köstlichkeiten verkünden: Ich war hier. Das pure Adrenalin muss an ihren Fettreserven fressen wie eine zersetzende Säure.
CJ schaut manchmal »spontan« bei uns zu Hause vorbei, zufällig genau zur Essenszeit und mit allen drei Kindern, um sich eine Einladung zu einem richtig selbst gekochten Familienessen zu erschleichen – denn das verkörpert all die Sehnsucht und Enttäuschung, die sie darüber empfindet, was aus ihrem Leben geworden ist. Es ist, als sei sie unfähig, zu Hause eine anständige Mahlzeit zu kochen, weil der Ehemann, die sicher verdiente Miete und der ganze andere Glückliche-Familien-Kram nicht so ist, wie er sein sollte. Für CJ ist Kochen eine scheußliche Aufgabe am Ende eines langen Tages, wenn noch Unterlagen für den Gerichtstermin vorzubereiten sind und die hungrigen Kinder kreischen wie ein Trio tollwütiger Affen. Unter diesen Umständen würde selbst Nigella Lawson eine Pizza bestellen.
CJ und ihre Kinder leben hauptsächlich von so praktisch-tröstlichen Dingen wie Pizza, Chinesisch und Toast. Es gibt kein McDonald’s-Spielzeug, das ihre Kinder nicht besitzen, und ihre kulinarische Toleranz beschränkt sich auf Pommes, Burger und Chicken Nuggets. Sie ist die Königin der Fixprodukte und hat einmal geprahlt: »Ich kann meinen Kindern in vier Minuten eine Mahlzeit auf den Tisch zaubern, dank meiner Mikrowelle«, woraufhin ich stellvertretend für sie in Depressionen versank. Letztes Jahr war sie ganz begeistert von dem Plan, ein Kochbuch mit schnellen, einfachen Rezepten für berufstätige Mütter zu schreiben – sogar Liz hat behauptet, das sei eine gute Idee und das Buch würde sich millionenfach verkaufen. Jedes Rezept basierte auf irgendeiner Dose – Maisbrei, Hühnersuppe, Bohnen, kombiniert mit Kartoffeln, Würstchen, Nudeln, Käse oder Ei. Aber sie ist nie dazugekommen, es zu schreiben, und jetzt verstaubt die Idee im Regal, zusammen mit all ihren Träumen von regelmäßigem Sex und »sie lebten glücklich bis zum Ende ihrer Tage«.
Jeden ersten Sonntag im Monat veranstalte ich einen Koch-Marathon, um den Tiefkühler zu füllen, und wenn ich daran denke, mache ich einen Extra-Tupper selbst gekochter Bolognese-Sauce für CJ. Das ist eine epische Aktion mit fünf Stunden köcheln lassen, magerem Hackfleisch, frisch gepresstem Sellerie- und Karottensaft, Tomatenpüree und einem Schuss Worcestersauce. Nicht leicht zu machen, aber himmlisch zu essen.
CJ, verwickelt in zahllose Frustrationen, ist eine Pflückerin; sie kann sich nicht auf den vollen Teller vor sich konzentrieren, sondern streckt immer wieder den Arm aus, um sich etwas von den Platten auf dem Tisch zu nehmen, hier eine Rote Bete von der fayanza, dort ein Scheibchen Avocado oder ein Stück Räucherlachs, das aus dem Dip hervorlugt. Sie isst wie ein Kamel an der letzten Oase, das sich für die wasserlosen Tage einen Vorrat anlegen muss.
»Meine Kinder mussten sich eben abhärten«, fährt CJ
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