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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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setzen und ihre Kinder gut versorgt, aber bestimmt an ihrem Platz zu halten, intellektuell nachvollziehen und sogar widerwillig bewundern. Viel stärker wiegt jedoch mein stummes Urteil über sie: dass sie nicht fähig ist, sich der Aufgabe (dem Glück und dem Grauen), ihre Kinder aus vollem Herzen zu lieben, ganz und gar zu öffnen. All das erkenne ich an dem einen Sushi-Stück in einem Löffelchen Sauce auf ihrem Teller. Schließlich kann ich aus Tellern lesen.
    Und dann ist da Dooly, die immer noch diesen lächerlichen Schal trägt – wie kann jemand unbeschwert essen, wenn er zwei wollene, fransige Schalenden hinter sich herschleift? Ihr Teller ist ein Chaos aus Häppchen, die sie hastig aufgeladen hat, ohne sich zu überlegen, was auf dem Teller wo hinkommen soll. Das Thai-Curry läuft in den Dip, und der Salat ist willkürlich über ihren Teller verteilt. Sie isst, als hätte sie es eilig, und sobald sie ein paar Bissen gegessen hat, füllt sie ihren Teller wieder nach, als müsse sie sich vor seiner Leere schützen. Eines weiß ich über sie – sie wird alles halb aufgegessen liegen lassen, als könnte sie es nicht ertragen, zu sehen, dass alles weg ist. Sie isst stumm, nur ab und zu taucht ein zufriedenes Murmeln zwischen zwei Bissen auf. Aber ob sie durch den Maschendrahtzaun ihrer Ablenkung und Unsicherheit wirklich schmeckt, wie göttlich dieses Essen im Vergleich zu ihren Kochkünsten ist, kann ich nicht sagen.
    »Wie macht sich Lukes Arm?«, fragt Helen Dooly.
    »Der Gips kommt in fünf Tagen runter«, sagt sie und schluckt eine Riesenportion Curry hinunter.
    »Und das ist das … zweite Mal, dass er sich etwas gebrochen hat?«, fragt Ereka.
    »Das dritte Mal«, sagt sie und nickt. »Ich kenne kein Kind, das so viele Unfälle hat. Ihr wisst ja, dass er sich schon bei der Geburt die Schulter ausgerenkt hat, nur bei dem Versuch, an einem Stück herauszukommen. Außerdem hat er mich dermaßen aufgerissen – das war der Dammriss des Jahrhunderts.« Ich erschauere und stelle mir Doolys Perineum vor, zusammengeflickt wie eine Patchwork-Decke.
    »Ihr haltet wohl Aktien des Childrens’ Hospital«, neckt Fiona, lehnt sich zurück und schaut uns allen beim Essen zu.
    »Wenn die uns in der Notaufnahme schon ankommen sehen, schicken sie ein Begrüßungskomitee mit einem ›Herzlich willkommen!‹-Banner«, sagt Dooly und verzieht das Gesicht. Und, schwupps, jawohl, da hängen die Schalfransen im Thai-Curry. Dooly zieht sie schnell heraus und wischt sie mit einer Serviette ab.
    »Meine Kinder haben sich noch nie einen Knochen gebrochen«, sagt Liz.
    »Was für eine Mutter bist du denn, dass du deine Kinder ohne Knochenbrüche großziehst?«, scherzt Helen.
    »Du hast Glück – ich dachte immer, Jungs wären genetisch dazu veranlagt, sich mindestens ein paar Knochen zu brechen«, sagt CJ. »Wir hatten bis jetzt ein gebrochenes Schienbein und einen gebrochenen Zeh«, sagt sie und schiebt sich einen Bissen Lasagne in den Mund.
    »Gebrochene Knochen sind besser als abgebrochene Zähne«, sagt Liz. »Chloe ist letzten Monat beim Sportfest gestürzt und hat sich einen Zahn abgebrochen, einen bleibenden, wohlbemerkt. Mit wäre es lieber, sie hätte sich einen Arm oder ein Bein gebrochen, das heilt zumindest wieder. Aber ein Zahn – das ist so offensichtlich, so schwer zu verbergen.«
    Unsere Fassungslosigkeit richtet sich auf Liz wie Scheinwerferlicht.
    »Dir wäre es lieber, wenn sie sich ein Bein gebrochen hätte, als sich einen Zahn abzubrechen?«, fragt Fiona.
    »Natürlich«, sagt Liz. »Gebrochene Beine heilen zusammen. Wir mussten ihren Zahn überkronen lassen, aber er ist immer noch nicht perfekt, man sieht, dass er nicht echt ist.«
    Fiona schüttelt nur den Kopf. Richtet nicht einmal eine spitze Bemerkung gegen Liz. Wo ist denn nun dieser Killer-Instinkt der Kickboxerin?
    »Na und?«, mischt sich Helen ein. »Nichts und niemand ist perfekt, und zumindest hatte sie keine Schmerzen.«
    »Schmerzen vergehen. Aber ein gewinnendes Lächeln wird sie noch lange brauchen«, sagt Liz und spießt ein Sushi-Röllchen mit der Gabel auf. So kultiviert sie auch sein mag, Sushi isst sie immer noch wie ein Anfänger.
    »Ist das nicht ein bisschen … oberflächlich, Liz?«, fragt Fiona. Doch der Stachel in ihren Worten wird auf der Stelle gemildert. »Das war natürlich nicht persönlich gemeint, ich will nicht unhöflich sein …«
    Liz kaut ausgiebig und schluckt, bevor sie antwortet: »Es ist nur aufrichtig, das ist

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