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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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gelten kann, bedeutet das entweder, dass die Wechseljahre etwas früh einsetzen, oder dass sie (wieder einmal) schwanger ist. In beiden Fällen weiß ich nicht recht, wie die angemessene Reaktion auf ihre Neuigkeiten aussehen sollte. Geheuchelte Freude? (Nicht einmal Robbie Williams in nassen Boxershorts könnte mich dazu bewegen, die letzte zermürbende Phase der Schwangerschaft und das Straflager der ersten paar Monate mit einem Neugeborenen noch einmal auf mich zu nehmen.) Aufrichtiger Neid? (Welche Frau würde nicht bis in alle Ewigkeit auf Koffein und gebratene Speisen verzichten, um noch einmal ihr eigenes, eben auf die Welt gekommenes Baby in die Arme schließen zu können?) Milde Gereiztheit? (Sind Sexualkunde und das Wissen um Verhütung nicht wie Fahrradfahren, oder braucht meine Freundin mal einen Auffrischungskurs?) Erleichterung? (Ich bedränge Frank wegen einer Vasektomie, seit im Januar meine Periode ausgeblieben ist – ein Hoch auf die »Pille Danach« … ähem … das kann wohl jedem mal passieren.) Vielleicht tut es erst mal aufrichtige Ambivalenz, zumindest für den Moment.
    »Ich hacke Koriander für das Thai-Curry«, sage ich und rücke dem Bündel Blätter mit gnadenlosem Geschick zuleibe. Es flirtet mit mir, lässt sein nussiges Aroma aufsteigen, so dass mir das Wasser im Mund zusammenläuft. Ich schwöre, wenn Koriander ein Parfüm wäre, würde ich es benützen.
    »Ich hasse Koriander«, sagt sie und schüttelt ihre schwarze Lockenmähne, die mal wieder gewaschen werden müsste. Aber wer hat heutzutage schon Zeit für solchen Luxus wie Körperpflege?
    »Ja, darüber solltest du wirklich mal mit einem Therapeuten sprechen«, erwidere ich. »Wenn man solche Probleme zu lange mit sich herumschleppt, werden sie nur schlimmer …«
    »Hab Erbarmen – ich bin schwanger«, jammert sie. »Von dem Geschmack muss ich mich schon übergeben, wenn ich keinen Braten in der Röhre habe.« Mit diesen Worten taucht sie einen Löffel in die blubbernde Kokosmilch und schlürft auf diese genießerische Art, die ich an ihr so liebe.
    Eines muss man über Helen wissen: Trotz ihrer unverzeihlichen Feindseligkeit gegenüber Koriander ist sie eine großartige Köchin. Sie und mich verbindet eine fast spirituelle Liebe zum Essen. Es ist schon vorgekommen, dass sie plötzlich vor meiner Tür stand, zerzaust und verschwitzt, mit drei kreischenden Kindern im Auto, um einen kleinen Behälter mit irgendwelchen köstlichen Resten abzuliefern. »Probier mal«, mehr sagt sie nicht, bevor sie wieder in ihren Kombi steigt. Und da stehe ich dann in der Tür, stecke die Nase in eine Plastikschüssel und genieße die pure Ekstase, die drei Esslöffel indonesischen Lamm-Currys oder Hühnerleberpastete auszulösen vermögen, die sie gerade gezaubert hat. Unsere Unterhaltung dreht sich meist um zwei Themen: Essen und die Kinder. Wie man den Saft eines Brathühnchens von Fett befreit; welche Nahrungsmittel oder Haushaltsreiniger die Ursache für Camerons Ekzeme sein könnten; ob Hühnerfond den Geschmack einer indischen Linsensuppe besser zur Geltung bringt als Salz; ob Aaron auf ADHS getestet werden sollte oder bloß mal eine ordentliche Tracht Prügel braucht; das Häuschen am Wasser in der Salamander Bay für die Sommerferien, oder doch die Ferienwohnung in Batemans Bay?
    Helen ist geistig stabil, vernünftig, himmlisch respektlos, und in ihrem kleinen, stämmigen Körper steckt keine einzige wichtigtuerische Ader. Fröhlichkeit – diese altmodische Eigenschaft – umgibt sie wie ein unsichtbarer Umhang. Jede meiner miesepetrigen Stimmungen, ob nun von PMS, Heimweh oder den jüngsten Greueltaten meines Sohnes hervorgerufen – verfliegt in ihrer ausgelassenen Gegenwart binnen weniger Minuten. Ich vertraue ihr alle meine Geheimnisse an, und wenn ich ein »Das darfst du aber niemandem erzählen« vorausschicke, kann ich ziemlich sicher sein, dass sie das auch schafft. Aber ich kenne Helen, und wenn sie sich doch mal verplappert, gesteht sie mir ihr Missgeschick, bevor ich es von irgendjemand anderem erfahre. Ich muss sie dann allerdings daran erinnern, dass ein Geständnis nicht automatisch mit Vergebung einhergeht. Verschwiegenheit und Ehrlichkeit sind für mich zwei verschiedene Tugenden, während sie die beiden in ihrem Kopf so unzertrennlich vermischt hat wie eine pâté aus Frischkäse und roter Paprika.
    In einem Internat wäre Helen das Mädchen gewesen, das als Haussprecherin gewählt wird. Sie nimmt die Dinge in die

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