Weiberabend: Roman (German Edition)
täglich grüßt. Wir alle fühlen uns zu Tode deprimiert vom täglichen Auftritt der Lunchbox, die verächtlich fordert: Füll mich doch. Aber bitte nur Essen mit wenig Fett, wenig Zucker, viel Energie, vielen Ballaststoffen, und vitaminreich, natürlich. Damit deine Kinder gesunde, glückliche, stabile, normale, funktionierende Mitglieder dieser Gesellschaft werden.
Und wenn ihr mich dafür ans Kreuz nagelt: Ich habe die Hohe Schule der Kinderernährung nicht gemeistert. Im Gegensatz zu Helen, und Tam natürlich, die ihren Kindern ausgewogene Mahlzeiten zubereiten, mit Proteinen, Kohlehydraten, gedämpftem Brokkoli und Pilzen, gefolgt von frischem Obst, habe ich in dieser Aufgabe kläglich versagt. Abgesehen von Würstchen (die vermutlich eher als Fett gelten müssen denn als Eiweiß), nimmt Aaron Proteine nur in Form von McDonald’s-Burgern und Erdnussbutter zu sich. Um das Ganze spannender zu machen, haben sich sämtliche Schulen in Sydney zu Erdnuss-freien Zonen erklärt. Ich gebe es ja zu: Ein Kind mit einer Erdnussallergie davor zu schützen, dass es mit einem anaphylaktischen Schock zusammenbricht, ist eine ganz vernünftige Begründung für diese Maßnahme, aber mein Morgen wird dadurch zusätzlich kompliziert.
»Was gibst du Aaron denn in die Schule mit?«, fragt mich CJ.
»Also, normalerweise – einen Kakao, einen Bagel (trocken), eine Portion kalte Nudeln (trocken, und nur die ringeligen), zwei Reiscracker und Popcorn. Und einen grünen Apfel.« Und bevor die anderen mich darauf hinweisen können, sage ich: »Ja, ich weiß. Das sind viel zu viele Kohlehydrate.«
Ich sehe Tam an. Sie zuckt nur mit den Schultern.
Tam ist überzeugt davon, dass Aarons Überdosis Kohlehydrate für seine Reizbarkeit verantwortlich ist, für seine Stimmungstiefs, Wutanfälle, die Attacken gegen andere Kinder in der Schule, seine Neigung, unsere Katze zu quälen, und diverse andere liebenswerte Charakterzüge. Vor einer Weile hat sie mir ganz im Ernst folgende Liste präsentiert:
***
In Augenblicken des zielstrebigen Pflichteifers habe ich jedem dieser Vorschläge eine faire Chance gegeben. Das hat mich ein kleines Vermögen gekostet, und mein Küchenschrank ist immer noch voll mit gesunden Nahrungsergänzungsmitteln, die nach einem sehr kurzen Einsatz schon sehr lange dort verstauben. Da stehen sie nun, eine Sammlung von Tiegeln und Flaschen, deren Inhalt allmählich erhärtet. Im Lauf der Jahre bekam ich Fischöl auf die Bluse gespuckt, Johannisbrot-Reiscracker wurden auf den Boden gespieen, und ich wurde in regelmäßigen Abständen als »böse, gemeine Mutter« bezeichnet. Ich stehe nicht auf Bestrafung. Manche Dinge sind einfach zu viel.
Manchmal, unter dem Einfluss eines postmenstruellen Energieschubs, setze ich meine Bemühungen fort, Aarons Eiweißaufnahme zu steigern. Ich kaufe zwei Kilo fettfreies Hackfleisch und bringe einen Nachmittag damit zu, hausgemachte Frikadellen und Hamburger zu formen und zu braten (mit einem halben Teelöffel Olivenöl, versteht sich). Ich mische heimlich verborgene Zutaten unter. Wenn Aaron auch nur ein Fleckchen Orange (geraspelte Karotten) oder Grün (Petersilie oder Sellerie) sieht – oder zu sehen glaubt –, die ich hineingeschmuggelt habe, baut er sich vor mir auf und verkündet mit zornfunkelnden Augen: »Das. Ist. E-ke-lig.« Mein Sohn ist gnadenlos. Er isst grüne Trauben. Aber keine roten. Und nur kernlose. Er isst Brot. Pur. Und ohne »Stückchen« (also nur Weißbrot). Und ein Stück Käse. Pur. Aber wenn ich ihm ein Käsesandwich anbiete, »pures Brot und purer Käse, die nur Händchen halten, mein Schatz«, sagt er zu mir: »Friss meine Shorts.« Ich beiße mir auf die Zunge und schwöre mir insgeheim, dass er in seinem wählerischen, mäkeligen Leben keine einzige Simpsons -Folge mehr sehen wird.
»Das finde ich gar nicht so schlimm«, sagt CJ. »Jorja will von allem nur ›das Weiße‹ – Eiweiß, den weißen Teil einer Gurke, nur geschälte Äpfel und gestampfte Kartoffeln.«
»Siehst du, sie hat deine rassistische Weltanschauung geerbt«, bemerke ich.
»Ach, halt die Klappe«, schnaubt CJ.
»Das einzige Protein, das Kylie essen will, ist Räucherlachs«, sagt Ereka. »Die kleine Prinzessin. Ist da Zitrone drin?«, fragt sie mich.
Ich lächle. »Orangenschale.«
»Abgesehen von deiner Muttermilch, meinst du wohl«, erinnert Tam sie.
»Nur zum Runterspülen«, sagt Ereka. »Wusste ich’s doch«, sagt sie zu mir. »Göttlich …«
»Tyler isst überhaupt
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