Weiberabend: Roman (German Edition)
zu, wie ich den knackigen Panzer aufbiss und die Hülle abschälte, um dieses weich gerundete Fleisch zu enthüllen, und dann sog ich daran wie … sagen wir einfach, er hatte eine Erektion, bevor ich den Kern ausspuckte.
Nach den Artischocken kommen die Pfannkuchen als Retter daher. Nur Helen, Ereka und CJ haben sich diesem mühsamen Gemüse gestellt. Die übrigen voll beblätterten Artischocken liegen auf der Platte wie vergessene Blumensträußchen. »Na ja«, habe ich in der Küche Helen zugebrummt, während ich die Pfannkuchen gemacht habe, »die wissen eben nicht, was sie verpassen«; aber dass man meine Kunst so wenig zu schätzen wusste, hat Spuren hinterlassen. Ich könnte einen Kurs leiten mit dem Titel: Wie Sie mit Ihrem Groll über die Undankbarkeit anderer richtig umgehen. Meine Kinder, die mich alles gelehrt haben, was ich darüber weiß, bieten mir freundlicherweise oft Gelegenheit, meine Fähigkeiten darin noch weiter zu verbessern.
Dankbarkeit. Das ist die Erwartungshaltung, die uns ins Verderben stürzt. Ich bin früher sichtlich zusammengezuckt, wenn jüdische Mütter jedes Vorurteil bestätigten, indem sie die Schuldgefühle-Nummer abzogen: »Nach allem, was ich für dich getan habe …« Jetzt sind es nur meine intellektuell-überheblichen Hemmungen, die mich davon abhalten, diese genetisch verankerte Phrase meinen eigenen Abkömmlingen um die Ohren zu hauen – für meine Kinder sind die vielen Monate (inzwischen sind Jahre daraus geworden) der Schwangerschaft, des Stillens, der schlaflosen Nächte und persönlichen Opfer unsichtbar. Warum sollten sie auch dankbar für all diese Wohltaten sein, mit denen ich sie überschüttet habe, bevor sie überhaupt danke sagen konnten? Ja, warum? Die süßen neunmalklugen kleinen Scheißerchen. »Danke zu sagen, hat noch niemandem weh getan«, erwidere ich schwach.
In den Augen meiner Kinder, geblendet von der Überzeugung, das alles stehe ihnen von Rechts wegen zu, bin ich unsichtbar. Ich versuche – oder ich werde bei dem Versuch sterben –, ihre Ansicht in diesem Punkt geradezurücken. Franks Theorie – ihnen möglichst nichts zu geben, damit sie dankbar für alles sind, was sie bekommen – war schwerer umzusetzen, als ich dachte. Ich liebe es, meinen Kindern eine Freude zu machen, aber ich verlange ein Dankeschön, und fordere es mit akribischer Genauigkeit ein, für jeden Lutscher, jedes kleine Geschenk und jeden Gefallen, den ich ihnen tue. Aber manchmal geht die Rechnung einfach nicht auf. Ich erinnere mich besonders gut an einen Nachmittag in den letzten langen Weihnachtsferien. Wochenlang hatte ich keine Unterhaltung mehr geführt, in der es nicht irgendwann um Schwammkopf Bob und blauäugige weiße Drachen gegangen wäre. Die Hitze hatte uns dazu getrieben, den ganzen Tag in einem klimatisierten Schwimmbad zu verbringen, mit mehreren Tausend anderen Kindern und ihren Müttern. Jamie und Aaron hatten sich je eine neue Schwimmbrille, neue Flipflops und ein aufblasbares Wasserspielzeug aussuchen dürfen und den ganzen Tag lang nichts anderes als Pommes und Eis gegessen, so etwa alle Stunde eine Portion. Auf dem Heimweg hielten wir bei der Videothek, um ein paar DVDs auszuleihen (meine einzige Hoffnung auf ein paar Stunden Ruhe für meinen dröhnenden Kopf). Als wir zur Haustür hereinkamen, sagte Jamie zu Aaron: »Meine schauen wir zuerst an.« »Nein, meine zuerst«, brüllte er, und klatsch, zack, kick, rumms. »MAAAMIIIIII … Aaron hat mich geschlagen!!!«
Ruhig warnte ich: »Wenn ihr beiden nicht SOFORT aufhört, euch zu streiten, gibt es überhaupt kein Fernsehen, keine Ausflüge mehr in diesen Ferien, und keinen Spaß!« All das platzte aus mir heraus, bevor ich richtig nachdenken konnte, denn im Grunde wollte ich natürlich sagen: »Sonst müsst ihr den Rest eures Lebens vor dem Fernseher verbringen …« Schließlich war ich diejenige, die Ruhe brauchte. »Du bist eine doofe, gemeine Mama«, schrie mich Aaron an, die neue Schwimmbrille noch auf dem Kopf, die neuen Flipflops an den Füßen und die Finger klebrig von den vielen Süßigkeiten. Ja, er war müde, ja, er war aufgedreht von zu viel Zucker, aber das war, wie man so schön sagt, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Meine Wut über die Ungerechtigkeit dieser infantilen Erwartungshaltung ließ mich scharlachrot anlaufen. Wenn es biologisch möglich gewesen wäre, wäre mir heißer Dampf aus der Nase geschossen. Mit zusammengebissenen Zähnen listete ich alles
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