Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
Vom Netzwerk:
tun, wenn bei einem deiner Kinder eine tödliche Krankheit diagnostiziert würde?«
    Sie atmet tief aus und wirft mir einen genervten Blick zu. Der Schatten ihrer früh verstorbenen Mutter schwebt schon in der Ecke, und ich will ihn näher heranholen. »Was willst du von mir hören? Dass ich meinen Beruf aufgeben und zu Hause bleiben und eine perfekte Mutter werden würde … Ich denke nicht darüber nach, dass meine Kinder sterben könnten, und ich denke nicht darüber nach, dass ich selbst sterben könnte.«
    »Tja, das solltest du aber, denn es könnte passieren«, sage ich.
    »Was erzählst du deinen Kindern, wenn sie nach dem Tod fragen?«, erkundigt sich Helen bei Liz und bedeutet mir nebenbei, ihr ein Glas Schnaps zu reichen, was ich prompt tue.
    »Ich sage ihnen, dass ich noch lange, lange nicht sterben werde, und dass auch sie noch lange nicht sterben werden, und dass sie, wenn es so weit ist, dafür bereit sein werden.«
    »Und damit geben sie sich zufrieden?«, fragt Helen. Liz nickt.
    »Sie haben deine Zähigkeit geerbt«, sagt Helen. »Nathan hat sich furchtbar aufgeregt, als ich ihm erklärt habe, dass ich eines Tages sterben werde. Er hält mich für unbesiegbar, weil ich Plastikschwerter mit Klebeband reparieren und ihm Splitter aus dem Finger ziehen kann und weiß, wo die kleinen Babys herkommen.« Sie taucht die Zungenspitze ins Glas.
    Welch bittersüßer Gedanke. Unsere Kinder glauben nicht, dass wir krank werden oder sterben könnten, weil wir in ihren Augen allmächtig und allwissend sind. Wir besitzen die Gabe, mit unseren heilenden Händen alle möglichen Herzleiden zu lindern, zum Beispiel Beste-Freundin-Gemeinheit, Nicht-Zur-Party-Eingeladen-Sein-Ablehnung, Schimpfwort-Traurigkeit und Als-Uncool-Gelten-Grausamkeit. In unseren schützenden Armen, im beruhigenden Klang unserer Schlaflieder ist die Welt ein sicherer Ort voll Zuneigung. Ein Schlaraffenland unzerbrechlicher Herzen, wo alles immer gut ausgeht.
    Aber irgendwann fliegen wir auf. Ein Goldfisch treibt mit dem Bauch nach oben im Aquarium. Eine Großmutter stirbt. CNN sendet live aus dem Nahen Osten, und wir kommen nicht rechtzeitig an die Fernbedienung. Dann sehen unsere Kinder uns mit Tränen in den Augen an und sagen: »Ich will aber nicht, dass du stirbst, Mami.«
    Und wir nehmen sie auf den Schoß, wiegen sie im Arm und reden ihnen ihre Ängste aus. Wir erzählen ihnen, dass wir jung und gesund sind. Und dass das Leben lang und kostbar ist. Und dass alle Lebewesen irgendwann sterben. Eines Tages. Aber dieser Tag ist noch weit weg. Wir geben solche Phrasen selbst dann von uns, wenn wir gerade auf ein Biopsie-Resultat warten, und drücken uns selbst die Daumen, dass uns der 347er-Bus auf dem Weg von der Bondi Junction nicht morgen überrollt. Wir wickeln uns selbst mit solchen falschen Versicherungen ein. Um ihretwillen wie um unserer selbst willen.
    Uns graut vor Gebrechen, dem Blut im Stuhl, der gehäuft auftretenden Migräne, diesem sich verfärbenden Leberfleck, vor allem, das uns der Fähigkeit berauben könnte, für unsere Kinder zu sorgen. Wenn ein Baby weint, gibt es einen Kurzschluss in unserem Körper, der den Schmerz eines frischen Kaiserschnitts unterdrückt oder rasende Kopfschmerzen vorübergehend beiseite drängt, damit wir reagieren können. Nicht, dass wir unersetzlich wären – Liz hat das bewiesen –, aber unsere Kinder vermitteln uns dieses Gefühl. Die erdrückende Last dieses Glaubens reicht aus, um Psychosen hervorzurufen. Liebende, die einander sagen: »Ich kann ohne dich nicht leben«, kopieren die wahre emotionale Geschichte von der Liebe zwischen einem Kind und seinen Eltern. Ich bin überzeugt davon, dass die Erkenntnis dieser symbiotischen Bedürftigkeit zum größten Teil für die weit verbreitete postpartale Depression verantwortlich ist. Denn wenn wir vollständig und glasklar begriffen haben, wie allumfassend die heilige Pflicht elterlicher Verantwortung ist, dann ist es vermutlich das einzig Vernünftige, das Handtuch zu werfen, bevor man es überhaupt versucht hat.
    »Stellt euch nur vor, ihr hättet eine tödliche Krankheit«, sage ich nachdenklich, »und kleine Kinder zu versorgen …«
    »Wie meine Freundin Marion«, sagt Fiona.
    »Was fehlt ihr denn?«, fragt CJ.
    »Eierstockkrebs«, sagt Fiona düster.
    »Wird sie durchkommen?«
    »Nein«, antwortet Fiona. »Sie haben ihn zu spät entdeckt. Sie bekommt eine Chemo, aber die Ärzte geben ihr nur noch ein paar Monate.«
    »Gott, das ist ja

Weitere Kostenlose Bücher