Weiberabend: Roman (German Edition)
diese Helen. Im letzten Moment dem Tod von der Schippe gesprungen. Sie hat eine Konstitution wie ein Pferd, nein, wie ein Elefant, wie die Elefantenmama, die Mutter von Laura, Lester und Baby Elefant, die – erfolglos – versucht, ein Bad zu nehmen, mit einer schönen Kanne Tee und ein paar Rosinenbrötchen und ohne ihre Kinder. Nur fünf Minuten Ruh von Jill Murphy ist die Gutenachtgeschichte, die ich meinen Kindern immer vorlese, wenn ich mit Aussuchen an der Reihe bin. Die Geschichte endet damit, dass alle drei Kinder sich zu ihr in die Wanne setzen. Mama Elefant steigt aus ihrem schönen Bad und geht hinunter in die Küche, wo sie drei Minuten und fünfundvierzig Sekunden Ruhe hat, bevor sich wieder alle um sie drängeln.
Im Winter lese ich meinen Kindern schon um sechs Uhr Abends ihre Gutenachtgeschichte vor. Die frühe Dunkelheit kommt mir mit verschwörerischem Zwinkern entgegen. Da es so früh dunkel wird und meine Kinder noch nicht die Uhr lesen können, schaffe ich es tatsächlich, sie um sieben Uhr zum Einschlafen zu bringen und sie im Glauben zu lassen, sie wären lange aufgeblieben. Es ist ja so leicht, ihr Vertrauen zu missbrauchen. Aber das nutze ich schamlos aus, wenn es bedeutet, dass sie schneller und früher einschlafen, denn schlafend habe ich sie am liebsten. Sogar, wenn ich vor Erschöpfung schon auf dem Zahnfleisch gehe, spüre ich meine ganze Hingabe für diese nervtötenden, geliebten kleinen Wesen in jedem Knochen, wenn sie so still und bedürfnislos sind. Erst dann kann ich tief ausatmen und mir meine eigenen, unverzeihlichen Gebrechen eingestehen: Ich bin müde. Ich habe Kopfschmerzen. Ich fühle mich nicht gut.
Als Mütter haben wir etwa so viel Recht, krank zu werden, wie uns einem Wanderzirkus von messerwerfenden, feuerspuckenden Artisten anzuschließen. Es ist schlicht vermessen – von dumm und unverantwortlich ganz zu schweigen –, sich hohes Fieber, eine lähmende Migräne oder irgendetwas so Langwieriges wie einen Bandscheibenvorfall zuzuziehen. Für den Fall, dass solche unglücklichen Umstände doch einmal eintreten sollten, lautet der beste Rat: Überspielen. Gesundheit simulieren. »Mir geht es gut, danke.« Knall dich bis weit über die zulässige Tagesdosis hin voll, auch wenn du dann »keine schweren Geräte« mehr bedienen solltest, und mach einfach weiter. Denn wenn Kinder Schwäche spüren, ist man erledigt. Dann reißen sie einen in Stücke.
Ganz ähnlich, wie australische Aborigines kein Verständnis für das westliche Konzept des »Besitzens« von Land haben, so machen sich Kinder keinen Begriff von mütterlicher Krankheit. Kinder werden ohne eine Synapse zwischen den Wörtern »Mutter« und »krank« entworfen und stehen einer Krankheit der Mutter blind und ungerührt gegenüber. Mütter werden nicht krank.
»Und, musstest du dich oft krankschreiben lassen?«, fragt Tam Dooly.
Dooly nickt. »Mein ganzer Urlaub und die Überstunden sind auch schon draufgegangen, ich glaube, ich habe im Moment sogar Unterstunden … Ich schleppe mich einfach zur Arbeit, ganz egal, wie es mir geht, weil ich es nicht mehr fertigbringe, meinem Chef zu sagen: ›Ich schaffe es heute nicht.‹«
»Ich hasse es, mich auf der Arbeit entschuldigen zu müssen, wenn es den Kindern nicht gut geht. Man hört ganz deutlich, dass sie es einem übel nehmen, als würde ich mir den Tag frei nehmen, um ins Kino oder an den Strand zu gehen«, sagt Tam und lehnt den Schnaps ab.
»Du solltest diesen Tonfall erst hören, wenn du anrufen und sagen musst: ›Meinem Mann geht es gar nicht gut.‹ Wenn es nicht gerade ein Herzinfarkt oder Krebs ist, kannst du mit keinerlei Mitgefühl rechnen. Vor allem, wenn er an Depressionen leidet … für seelische Erkrankungen haben die Leute immer noch kein Verständnis«, sagt Dooly und schnuppert an ihrem Schnaps, bevor sie einen Schluck probiert. »Mmm, lecker …«, sagt sie anerkennend.
»Wenn Gabriel krank ist, muss ich meine Termine für den ganzen Tag absagen. Manche Mandantinnen, die selbst Mütter sind, verstehen das, aber die männlichen Mandanten kapieren es überhaupt nicht«, sagt Fiona. Sie hält schon ein Schnapsglas in Händen, hat es aber nicht eilig, zu kosten. »Ich habe immer Angst davor, einen Mandanten zu verlieren, wenn ich absage, deshalb hole ich mir in solchen Fällen manchmal einen Babysitter und muss ihr am Ende dann so viel bezahlen, wie ich gerade selbst verdient habe«, grummelt sie. »Aber ich darf mich eigentlich nicht beklagen,
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