Weiberabend: Roman (German Edition)
furchtbar«, sage ich. »Wie alt sind ihre Kinder?«
»Acht und sechs. Zwei kleine Mädchen, Emily und Janet.«
»Ich mag gar nicht daran denken«, sage ich.
»Wie alt ist sie?«, fragt CJ.
»Zweiundvierzig«, sagt Fiona mit tiefem Seufzen. »So jung.«
»Wie soll man mit so etwas umgehen?«, fragt Tam. »An so etwas denkt man nicht, wenn man beschließt, Kinder zu bekommen, oder?«
»Aber wisst ihr, was ich wirklich interessant finde?«, bemerkt Fiona, deren Stimme vor Schmerz sehr leise klingt. »Als sie erfahren hat, dass es Krebs ist, hat sie angefangen, sich von ihren Mädchen zurückzuziehen. Sie hat kaum noch etwas mit ihnen zu tun und überlässt alles ihrem Mann, ihrer Mutter und dem Kindermädchen.«
Fionas Wortwahl, »interessant«, trifft mich wie ein Schlag. Ist es nicht, das ist herzzerreißend. »Interessant« ist es vielleicht für Anthropologen und andere Wissenschaftler, nicht für Mütter wie uns.
»Wow«, sagt Helen. »Das ist heftig.« Wir alle unterbrechen das, was wir gerade tun, und denken an Marion.
»Ich glaube, wenn ich wüsste, dass ich nur noch zwei Monate zu leben habe, würde ich so viel Zeit wie möglich mit meinen Kindern verbringen, wisst ihr? Mich sozusagen auffüllen …«, sagt Ereka.
»Wir können sie dafür nicht verurteilen«, sagt Liz. »Wir wissen nicht, wie wir an ihrer Stelle reagieren würden. Sie muss innerlich gebrochen sein.«
»Vielleicht fällt es ihr einfach zu schwer, Abschied nehmen zu müssen«, schlägt Tam vor. »Vielleicht verdrängt sie alles.«
»Wie stellt sie sich denn ihren Abschied vor?«, frage ich Fiona.
»Sie hat Briefe für ihre beiden Mädchen geschrieben, die sie bekommen werden, wenn sie älter sind, und sie hat ihnen Geschenke für den achtzehnten Geburtstag ausgesucht, wunderschöne Diamantketten und passende Ohrringe. Sie hat mich gebeten, sie für sie zu kaufen und einzupacken«, sagt Fiona. »Das ist alles so traurig.«
Heiße Tränen brennen mir in den Augen. »Du lieber Gott, das muss schwer für dich gewesen sein.«
»Ja, es hat mir nicht gerade Spaß gemacht, aber es bewegt mich sehr, auf diese Weise beteiligt zu sein«, sagt Fiona. »Und eines Tages werde ich diesen Mädchen alle meine Erinnerungen an Marion erzählen. Ich habe sogar begonnen, ein paar aufzuschreiben, damit ich sie nicht vergesse.«
Ich überlege mir, dass ich unbedingt endlich einen Termin für eine Untersuchung machen sollte, wegen dieser Magenschmerzen, die ich öfter habe. Und vielleicht eine Mammographie. Eine Darmspiegelung. Und eine Ultraschall-Untersuchung für meine Eierstöcke. Seit Jamies Geburt mache ich mir ständig große Sorgen um meine Gesundheit. Frank bezeichnet das schon als besessene Spinnerei. Der Gedanke an Fionas Freundin Marion frisst mich beinahe auf. Ich frage mich, ob sie die meisten ihrer Jahre als Mutter zu Hause verbracht hat oder berufstätig war, in der Annahme, dass sie noch alle Zeit der Welt haben würde, ihren Mädchen eine Mutter zu sein, während sie heranwuchsen.
Ich spüre ein Kribbeln im Magen, der gute alte Freund, die Angst, die an dem Tag in mein Leben einzog, als Jamie geboren wurde, und sich an mir festsaugte wie ein Blutegel. An dem Tag, an dem Marion stirbt, wird die Sonne weiter scheinen, und der Verkehr wird fließen wie immer. Die Leute werden sich beim Kaffee Witze erzählen, wie sie es immer tun, und die Zeitungen werden trotzdem geliefert. Nur zwei kleine Mädchen werden kaum verstehen können, dass dieser Tag für die Leute ein Tag wie jeder andere ist – sonnig, mit leichten Schauern im Osten, zähfließendem Verkehr und der Tageszeitung, auf deren Titelseite nicht in großen Lettern die Schlagzeile steht, die die Welt für immer verändert hat: MAMI GESTORBEN.
Ich frage mich, warum ich das alles nicht gründlich durchdacht habe, bevor ich zu dem Entschluss kam, es sei eine gute Idee, Kinder zu bekommen. Oder warum mich, als ich schwanger wurde, niemand beiseitegenommen und mich gefragt hat: »Was wird aus deinem Baby, wenn du stirbst?«, anstatt mir zu gratulieren. Ich habe eine vage Erinnerung daran, dass ich irgendwann während meiner zweiten Schwangerschaft in der Badewanne lag und völlig grundlos weinte, als sei eine Woge der Traurigkeit über mich hereingebrochen. Hormone, sagte der Arzt. Vielleicht war das eine unbewusste Ahnung, wie schlecht ich darauf vorbereitet war, meinem Kind meine eigene Unsterblichkeit zu versprechen.
Mein Glauben fühlte sich so wackelig an angesichts der
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