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Weiberregiment

Weiberregiment

Titel: Weiberregiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Es hat ein fast wasserdichtes
    Dach, und es gibt dort kaum Ratten. Wir brechen auf, wenn der
    Morgen dämmert! Ihr seid jetzt beim Militär!«

    Polly lag im Dunkeln auf einem Bett aus modrigem Stroh. Die Frage,
    ob sie vor dem Schlafengehen die Kleidung ablegen sol ten, stellte sich
    erst gar nicht. Regen hämmerte aufs Dach, und der Wind wehte durch
    den Spalt unter der Tür, trotz Igors Versuch, ihn mit Stroh
    zuzustopfen. In den sporadischen Gesprächen fand Pol y heraus, dass
    sie den feuchten Schuppen mit »Toller« Halter, »Knal er« Manickel,
    »Reißer« Goom und »Stecher« Tewt teilte. Maladikt und Igor schienen
    keinen wiederholbaren Spitznamen zu haben. Pol y wurde in
    gegenseitigem Einvernehmen zu »Schnieke«.
    Ein wenig überrascht stel te Pol y fest, dass der Junge namens Reißer
    aus seinem Rucksack ein kleines Bild der Herzogin zog und es nervös
    an einen alten Nagel hängte. Niemand sagte etwas, als er davor betete.
    So was machte man eben.

    Die Leute sagten, die Herzogin sei tot…
    Beim Geschirrspülen hatte Pol y die Männer eines Abends darüber
    reden gehört. Arm dran ist die Frau, die nicht lauschen kann, während
    sie Lärm macht.
    Tot, sagten sie. Aber die Leute im Schloss von Prinz-Marmaduk-und-
    Pjotr-Albert-Hans-Josef-Bernhardt-Wilhelmsberg gaben es nicht zu.
    Und weil es keine Kinder gab, und weil der Adel ausschließlich unter
    sich heiratete, Vettern und Kusinen und so weiter, würde der Thron des
    Herzogs an Prinz Heinrich von Zlobenien gehen! Ist das zu fassen?
    Deshalb sehen wir sie nie, kapiert? Und in al den Jahren hat es kein
    neues Bild von ihr gegeben. Das gibt einem zu denken. Angeblich
    trauert sie wegen des jungen Herzogs, aber er ist vor mehr als siebzig
    Jahren gestorben! Man munkelt, dass sie insgeheim begraben wurde
    und…
    An dieser Stelle hatte ihr Vater den Sprecher unterbrochen.
    Manchmal möchte man vermeiden, dass sich die Leute daran
    erinnern, dass man sich während eines bestimmten Gesprächs im
    gleichen Zimmer aufgehalten hat.
    Ob lebend oder tot, die Herzogin sah und hörte al es.

    Die Rekruten versuchten zu schlafen.
    Gelegentlich rülpste jemand oder ließ laut einen Wind streichen, und
    Pol y steuerte einige falsche Rülpser bei. Das schien die anderen
    Schläfer zu größeren Anstrengungen anzuspornen, und erst als das
    Dach klapperte und Staub herabrieselte, kehrte wieder Ruhe ein. Ein-
    oder zweimal hörte sie, wie jemand nach draußen trat in die windige
    Dunkelheit, rein theoretisch mit der Absicht, den Abort aufzusuchen.
    Aber angesichts der männlichen Ungeduld wurde die Angelegenheit
    vermutlich nicht ganz so weit entfernt erledigt. Einmal, halb in einem
    Traum, hörte Pol y jemanden schluchzen.
    Sie achtete darauf, nicht zu laut zu rascheln, als sie den mehrmals
    gefalteten, viel gelesenen und sehr fleckigen letzten Brief ihres Bruders
    hervorholte und ihn im Licht einer einzelnen, tropfenden Kerze las.
    Die Zensoren hatten ihn geöffnet und den Text verstümmelt, und er
    trug den Stempel der Herzogin. Pollys Bruder schrieb:

    Ihr Lieben,
    wir sind in █████. und das ist ████ mit ███ große
    Sache, und wie. Am ████ werden wir █████, und das
    ist gut so, denn ██ draußen. Es geht mir gut. Das Essen
    ist █████ und ██ wir █ bei ███. aber mein Kumpel
    ███ meint, keine Sorge, bis ████ ist alles vorbei, und
    wir werden Medail en bekommen.
    Kopf hoch!
    Paul

    Der Brief war in der sehr sauberen Handschrift von jemandem verfasst,
    der beim Schreiben jedes einzelnen Buchstabens große Sorgfalt walten
    ließ. Paul hatte sich Medaillen gewünscht, weil sie glänzten. Das war vor
    fast einem Jahr gewesen, als jede Rekrutierungsgruppe fast ein ganzes
    Bataillon versammelte, als Fahnen wehten und Musik spielte.
    Gelegentlich kehrten jetzt einzelne Gruppen von Männern heim. Den
    Glücklicheren unter ihnen fehlte nur ein Arm oder ein Bein. Es wurden
    keine Fahnen geschwenkt.
    Pol y entfaltete ein anderes Stück Papier, ein Flugblatt mit der
    Überschrift: »Von den Müttern Borograwiens!« Die Mütter
    Borograwiens ließen nicht den geringsten Zweifel daran, wie sehr sie
    wol ten, dass ihre Söhne gegen den zlobenischen Aggressor in den
    Krieg zogen, und sie unterstrichen dies mit vielen Ausrufezeichen. Das
    war seltsam, denn die Mütter in Münz schienen sich nicht sehr darüber
    zu freuen, dass ihre Söhne in den Krieg zogen; sie versuchten sogar, sie
    daran zu hindern.

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