Weiberregiment
es wärmer. Ich bin nur nach draußen gegangen, weil sich die anderen über den Rauch beschwert haben. Macht euch wegen der Leute da drin keine Sorgen, die können warten. Mein Büro ist ganz in der Nähe.«
Sie folgten ihm. Die Tür war tatsächlich nur einige Schritte entfernt. Der Mann öffnete sie, schritt durch den kleinen Raum dahinter und nahm auf einem Stuhl Platz. Auf dem Schreibtisch davor lagen viele Papiere.
»Ich glaube, wir können genug Lebensmittel hierher schaffen, um euch über den Winter zu helfen«, sagte er und griff aufs Geratewohl nach einem Blatt. »Getreide ist ein wenig knapp, aber wir haben einen Überschuss an Weißkohl, lässt sich hervorragend lagern, ist voller Vitamine und Mineralien. Allerdings lässt man beim Essen lieber die Fenster offen, wenn ihr versteht, was ich meine. Guck nicht so. Ich
weiß,
dass euer Land nur einen Monat vom Hungertod entfernt ist.«
»Aber ich habe diesen Brief noch niemandem gezeigt!«, protestierte Polly. »Du weißt nicht, was wir…«
»Ich brauche es gar nicht zu wissen«, sagte der Mann. »Es geht hier um Lebensmittel und hungrige Mäuler. Meine Güte, es wäre gar nicht nötig, gegen euch zu kämpfen. Euer Land steht ohnehin dicht vor dem Ende. Die Felder sind von Unkraut überwuchert, die meisten Bauern sind alte Männer, und der Großteil der Nahrungsmittel geht ans Heer. Und Heere leisten keinen wichtigen Beitrag für die Landwirtschaft, außer dass sie die Fruchtbarkeit des Bodens ein wenig erhöhen. Ehre, Stolz, Ruhm… Das alles spielt keine Rolle. Dieser Krieg hört auf, oder Borograwien stirbt. Hast du verstanden?«
Polly erinnerte sich an die öden Felder und die Alten, die zu retten versuchten, was sie konnten…
»Wir sind nur Gesandte«, sagte sie. »Ich kann keine Verhandlungen führen…«
»Weißt du, dass euer Gott tot ist?«, fragte der Mann. »Von ihm ist nur die Stimme übrig, meinen einige unserer Priester. Die letzten drei Abscheulichkeiten betrafen Felsen, Ohren und Akkordeonspieler. Das mit den Akkordeonspielern kann ich verstehen, aber… Felsen? Ha! Übrigens, wir können euch beraten, wenn ihr nach einem neuen Gott sucht. Om ist derzeit sehr beliebt. Sehr wenige Abscheulichkeiten, keine besondere Kleidung und Kirchenlieder, die man in der Badewanne singen kann. Bei euren Wintern hier in den Bergen kommt der Krokodilgott Offler für euch nicht infrage, und die Unorthodoxe Kartoffelkirche ist vermutlich ein bisschen zu unkompliziert für…«
Polly begann zu lachen. »Weißt du, Herr, ich bin nur… Wie lautet dein Name?«
»Sam Mumm. Sonderbeauftragter. Das ist eine Art Botschafter, aber ohne die goldenen Pralinen.«
»Mumm der Schlächter?«, fragte Maladikta.
»O ja, das habe ich gehört.« Mumm lächelte. »Eure Leute haben die feine Kunst der Propaganda noch nicht zu meistern gelernt. Und das sage ich euch, weil… Habt ihr von Om gehört?«
Polly und ihre Begleiter schüttelten den Kopf.
»Nein? Nun, im
Alten Buch Om
gibt es eine Geschichte über eine Stadt voller Verruchtheit, und Om beschloss, sie mit heiligem Feuer zu zerstören – das war noch während seiner zornigen Zeit, bevor er Religion bekommen hatte. Doch Bischof Horn protestierte gegen diesen Plan, und Om versprach, die Stadt zu verschonen, wenn der Bischof einen guten Menschen finden könne. Horn klopfte an jede Tür, doch seine Suche blieb erfolglos. Nach der Verwandlung der Stadt in eine gläserne Ebene stellte sich heraus: Wahrscheinlich hatte es dort viele gute Menschen gegeben, und da sie gut waren, verstanden sie es nicht besonders gut, es zuzugeben. Tod durch Bescheidenheit, eine schreckliche Sache. Und ihr Mädels seid die einzigen Borograwier, über die ich etwas weiß, abgesehen von den Militärs, die, offen gesagt, nicht sehr gesprächig sind. Ihr scheint nicht so verrückt zu sein wie die Außenpolitik eures Landes. Ihr seid das eine Stück internationale Verständigungsbereitschaft, das Borograwien zu bieten hat. Einige Jungen, die erfahrene Kavalleristen überlisten? Dem Prinzen in die Empfindlichkeit treten? Das gefällt den Leuten daheim. Und jetzt stellt sich heraus, dass ihr Mädchen seid. Bestimmt sind sie begeistert. Herr de Worde wird seine Freude daran haben, wenn er es herausfindet.«
»Aber wir haben keine Macht! Wir können nicht verhandeln…«
»Was will Borograwien? Nicht das Land. Ich meine das Volk.«
Polly öffnete den Mund, um zu antworten, schloss ihn dann wieder und
dachte
über die Antwort
nach.
»In Ruhe
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