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Weiberregiment

Weiberregiment

Titel: Weiberregiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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ihrem typischen Gesichtsausdruck von besorgter Aufmerksamkeit. Sie drehte sich um, als Polly näher kam.
    »Oh, Polly«, sagte sie. »Gute Nachrichten!«
    »Prächtig«, erwiderte Polly. »Ich mag gute Nachrichten.«
    »Sie meint, es sei so weit in Ordnung, dass wir unsere Dimitztücher nicht tragen«, sagte Reißer.
    »Was? Oh. Gut.«
    »Aber nur, weil wir einem Höherem Ziel dienen«, sagte Reißer. Und so, wie Bluse Anführungsstriche aussprechen konnte, war sie in der Lage, bedeutungsvolle Großbuchstaben in ihren Sätzen unterzubringen.
    »Das ist gut«, sagte Polly.
    »Weißt du, Polly, ich glaube, von Frauen regiert, wäre die Welt viel besser. Dann gäbe es keine Kriege. Das Buch hielte eine solche Idee natürlich für eine Schreckliche Abscheulichkeit in Nuggans Augen. Aber vielleicht irrt es. Ich werde die Herzogin fragen. Möge sie diesen Becher segnen, aus dem ich trinke«, fügte Reißer hinzu.
    »Äh, ja«, sagte Polly und fragte sich, was sie mehr fürchtete: Maladikt, der sich plötzlich in ein blutgieriges Ungeheuer verwandelte, oder Reißer, die das Ende der Reise in ihrem Bewusstsein erreichte. Sie war ein Küchenmädchen gewesen, und jetzt unterzog sie
das Buch
einer kritischen Analyse und sprach mit einer religiösen Ikone. Solche Dinge erzeugten Reibung. Die Gegenwart jener, die die Wahrheit suchen, ist unendlich viel besser als die derjenigen, die glauben, die Wahrheit gefunden zu haben.
    Polly beobachtete, wie Reißer Tee trank, und dachte dabei: Man glaubt nur dann, dass die Welt von Frauen regiert besser wäre, wenn man nicht viele Frauen kennt. Zumindest nicht viele alte Frauen. Zum Beispiel die Dimitztücher. Freitags mussten Frauen ihr Haar bedecken, doch davon stand nichts im Buch, das in den meisten Dingen verflix… verdammt streng war. Es war schlicht und einfach ein Brauch. Und wenn man es vergaß oder wenn man das Tuch nicht tragen wollte, so bekam man es mit den Alten zu tun. Sie konnten praktisch durch Mauern sehen. Und die Männer achteten darauf, denn kein Mann wollte die Alten verärgern, aus Furcht davor, dass sie damit begannen,
ihn
zu beobachten. Deshalb gab es halbherzige Strafen. Wenn eine Hinrichtung stattfand – oder besser noch: eine Auspeitschung –, saßen die Alten immer in der ersten Reihe und lutschten Pfefferminz.
    Polly hatte ihr Dimitztuch ganz vergessen. Sie hatte es freitags zu Hause getragen, wenn auch nur deshalb, weil das leichter war, als es nicht zu tragen. Sie schwor sich, dass sie es nie wieder tragen würde, wenn sie jemals heimkehrte…
    »Äh… Reißer?«, fragte sie.
    »Ja, Polly?«
    »Du hast doch einen direkten Draht zur Herzogin, oder?«
    »Wir sprechen über dies und das«, sagte Reißer verträumt.
    »Äh, könntest du ihr gegenüber vielleicht die Frage des Kaffees anschneiden?«, fragte Polly und fühlte sich elend dabei.
    »Die Herzogin kann nur sehr, sehr kleine Dinge bewegen«, sagte Reißer.
    »Vielleicht einige Bohnen? Wir brauchen den Kaffee wirklich dringend, Reißer! Ich glaube, die Eicheln sind kein guter Ersatz.«
    »Ich werde beten«, versprach Reißer.
    »Gut, mach das«, sagte Polly, und seltsamerweise fühlte sie ein wenig mehr Hoffnung. Maladikt hatte Halluzinationen, aber Reißer hatte eine Gewissheit, an der man Stahl biegen konnte. Es war irgendwie das
Gegenteil
einer Halluzination. Sie schien etwas sehen zu können, das real war und einem selbst verborgen blieb.
    »Polly?«, fragte Reißer.
    »Ja?«
    »Du glaubst nicht an die Herzogin, oder? Ich meine die richtige Herzogin, nicht dein Wirtshaus.«
    Polly blickte in das kleine, verhärmte und aufmerksame Gesicht. »Nun, ich meine, es heißt, sie sei tot, und ich habe zu ihr gebetet, als ich klein war, aber wenn du mich so fragst, äh, nein, ich
glaube
nicht in dem Sinne an sie…«, plapperte sie.
    »Sie steht direkt hinter dir. Direkt hinter deiner rechten Schulter.«
    In der Stille des Waldes drehte sich Polly um. »Ich sehe sie nicht«, sagte sie.
    »Ich freue mich für dich«, sagte Reißer und reichte ihr den leeren Becher.
    »Aber ich habe doch gar nichts gesehen«, sagte Polly.
    »Nein«, erwiderte Reißer. »Aber du hast dich umgedreht…«
    Polly hatte nie zu viele Fragen über die Mädchenschule gestellt. Sie war per definitionem ein gutes Mädchen. Ihr Vater war ein einflussreicher Mann in der Gemeinde, und sie arbeitete hart, hatte nicht viel mit Männern zu tun und war klug, ein Punkt, dem besondere Bedeutung zukam. Sie war klug genug, das zu tun, was die

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