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Weiberregiment

Weiberregiment

Titel: Weiberregiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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anderen Leute im chronischen, vernunftlosen Wahnsinn des alltäglichen Lebens in Münz machten. Sie wusste, was man sehen und was man ignorieren sollte, wann man gehorchte oder nur die Maske des Gehorsams trug, wann man sprechen durfte und wann es besser war, die Gedanken für sich zu behalten. Sie lernte die Kunst des Überlebens. Die meisten Menschen lernten sie. Aber wenn man rebellierte oder gefährliche Ehrlichkeit zeigte, die falsche Krankheit bekam, unerwünscht war, zu einem Mädchen wurde, das an Jungen mehr Gefallen fand, als die Alten für zulässig hielten, und, schlimmer noch, nicht gut zählen konnte… Dann kam man in die Schule.
    Polly wusste nicht, was dort geschah, aber ihre Phantasie war bereit, die Lücke zu füllen. Und sie fragte sich, was in dem höllischen Schnellkochtopf mit einem passierte. Wenn man stark und zäh war wie Toller, wurde man hartgekocht und bekam eine Schale. Stecher… schwer zu sagen. Sie wirkte still und scheu, bis man sah, wie sich der Schein des Feuers in ihren Augen spiegelte, und manchmal standen selbst ohne Feuer Flammen darin. Aber wenn man wie Reißer war und von Anfang an schlechte Karten hatte, wenn man Hunger leiden musste, eingesperrt, geschlagen und allein Nuggan wusste wie misshandelt wurde (und ja, dachte Polly, Nuggan
wusste
es wahrscheinlich), wenn man sich immer tiefer ins eigene Selbst zurückzog – was fand man dann schließlich? Und dann sah man aus jenen Tiefen in das einzige Lächeln auf, das man kannte.
     
    Der letzte Mann des Wachdienstes war Jackrum, denn Knaller kochte. Er saß auf einem moosigen Felsen, die Armbrust in der einen Hand, und betrachtete etwas, das er in der anderen Hand hielt. Er drehte sich ruckartig um, als Polly näher kam, und sie bemerkte den Glanz von Gold, als etwas hastig in der Jacke verstaut wurde.
    Der Feldwebel senkte die Armbrust. »Du machst so viel Lärm wie ein Elefant, Perks«, sagte er.
    »Tut mir Leid, Feldwebel«, erwiderte Polly, die wusste, dass sie leise gewesen war. Jackrum nahm den Becher Tee entgegen und deutete den Hang des Hügels hinunter.
    »Siehst du den Busch dort unten, Perks?«, fragte er. »Unmittelbar rechts von dem umgestürzten Baum?«
    Polly blickte in die entsprechende Richtung. »Ja, Feldwebel.«
    »Fällt dir daran etwas auf?«
    Polly hielt erneut Ausschau. Etwas konnte mit dem Busch nicht stimmen, andernfalls hätte der Feldwebel sie kaum gefragt. »Der Schatten ist verkehrt«, entschied sie schließlich.
    »Gut, Junge. Und der Grund ist: Dahinter verbirgt sich jemand. Unser Verfolger. Er beobachtet mich, und ich beobachte ihn. Und damit hat es sich. Er macht sich aus dem Staub, sobald er sieht, dass sich jemand nähert. Und er ist zu weit entfernt, als dass ich ihn mit der Armbrust treffen könnte.«
    »Ein Feind?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Ein
Freund

    »In jedem Fall ein aufgeblasener Bursche. Es ist ihm gleich, dass ich von ihm weiß. Geh nach oben und hol mir den Langbogen, den wir… Weg ist er!«
    Der Schatten war verschwunden. Polly blickte in den Wald, aber das Licht wurde karmesinrot, und die Abenddämmerung entfaltete sich zwischen den Bäumen.
    »Es ist ein Wolf«, sagte Jackrum.
    »Ein Werwolf?«, fragte Polly.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Feldwebel Tauering sagte, wir hätten einen Werwolf in unserer Truppe. Ich bin sicher, dass wir keinen haben. Das hätten wir inzwischen herausgefunden, oder? Aber vielleicht haben sie einen gesehen.«
    »Gegen einen Werwolf können wir nichts ausrichten«, sagte Jackrum. »Ein silberner Pfeil würde ihn erledigen, aber solche Dinge gehören nicht zu unserer Ausrüstung.«
    »Was ist mit unserem Schilling, Feldwebel?«
    »Glaubst du, dass du einen Werwolf mit einem Schuldschein töten kannst?«
    »Oh.« Dann fügte Polly hinzu: »
Du
hast einen echten Schilling, Feldwebel. Du trägst ihn zusammen mit dem goldenen Medaillon am Hals.«
    Wenn man an Reißers Überzeugung Stahl biegen konnte, so war es möglich, ihn mit Jackrums Blick zu erhitzen.
    »Was ich am Hals trage, geht dich nichts an, Perks. Und das Einzige, das schlimmer ist als ein Werwolf, bin ich, wenn man versucht, mir den Schilling wegzunehmen, verstanden?«
    Als er Pollys erschrockene Miene sah, fügte er sanfter hinzu: »Nach dem Essen setzen wir den Weg fort. Such einen besseren Rastplatz. Einen, der sich leichter verteidigen lässt.«
    »Wir sind alle ziemlich müde, Feldwebel.«
    »Ich möchte, dass wir auf den Beinen und bewaffnet sind, wenn unser Freund mit seinen

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