Weichei: Roman (German Edition)
richtig aus mit Weinen?«
»Ist eher ein Hobby von mir, aber meine Freunde vom Weinklub holen sich bei mir schon ab und an mal einen Rat, wenn es um einen guten Wein geht.«
Gibt es so etwas wie einen Weinklub überhaupt? Egal, wenn nicht, gründe ich morgen einen.
»Dann hoffe ich, dass der Wein überhaupt deinen Ansprüchen genügt.«
»Wird er schon«, sage ich und nehme einen großen Schluck. Ich habe keine Ahnung, was gut oder schlecht ist, und schmecken kann ich nach dem ganzen anderen Gesöff sowieso nichts mehr. »Ja, der ist okay.«
»Toll, von der ganzen Welt nur die tollsten Sachen genießen zu können.«
»Ja, Wein aus Chile, Sushi aus Tokio und Olivenöl aus der Toskana. Ist schon was anderes, wenn man die ganzen Sachen frisch vor Ort kaufen kann.«
Mit dieser Aufzählung habe ich mein gesammeltes Fachwissen über Lebensmittelherkunftsländer ausgebreitet. Kurz überlege ich noch, wo zur Hölle in der Toskana ein Lufthansa-Airbus landen soll, aber Jana scheint dies nicht aufzufallen. Und zum Glück setzt auch in diesem Moment die Band wieder mit der Version eines Rihanna-Lieds ein, und Jana springt daraufhin sofort auf.
»Das ist mein Lieblingslied. Komm, wir tanzen.«
Wieder zieht sie mich hinter sich her, und meine Schmerzen sind wie weggeblasen.
Ich spüre nichts mehr davon.
Allerdings rieche ich etwas. Nämlich meinen Achselschweiß, der sich nach der letzten Showtanzeinlage gebildet hat. Es ist mir peinlich. Daher verzichte ich diesmal auf einen Spagat und verfolge ihre Bewegungen. Sie sind katzenartig und weich. Ab und zu schließt sie die Augen, nimmt die Arme in die Luft und lächelt dabei. Vielleicht bin ich ja gar nicht ihr Typ? Würde mich nicht wundern, ich bin ja nicht mal meiner. Doch die Gesetze des normalen Lebens scheinen gerade ausgehebelt.
Sie ist schön.
Ich nicht.
Sie strahlt etwas Faszinierendes aus.
Ich strahle lediglich Schweißgeruch aus.
Und genau dagegen muss ich nun etwas tun. Ich möchte meine Chance nicht aufgrund von mangelnder Körperhygiene verspielen. Also handele ich und tippe Jana auf die Schulter.
»Ich komme gleich wieder.«
»Okay, ich warte hier auf der Tanzfläche.«
Sofort schlage ich den Weg zur Toilette ein. Falls dies hier und heute meine Nacht werden sollte, muss ich präpariert sein. In dem Toilettenraum, der im stilsicheren Arrangement der frühen Achtzigerjahre daherkommt, steht erwartungsgemäß kein Deodorant mit meinem Namen darauf für mich parat. Aber irgendwas muss ich tun. Meine Augen suchen nach einer Lösung und finden sie. Oberhalb des Waschbeckens hat die Putzfrau des 80er Urintempels netterweise ihre Arbeitsutensilien gebunkert. Darunter auch eine Dose mit der Aufschrift:
35 grüne Urinalbeckensteine mit Waldmoos-Duft. Gegen schlechte Gerüche, wirken selbsttätig. Benzol- und phosphatfrei.
Das klingt gut. Benzolfreies Waldmoos klingt deutlich angenehmer als Schweiß. Ich öffne mein Hemd und greife in die Dose meiner Rettung. Es ist zwar etwas eklig, aber immerhin ein Ausweg. Doch schon Sekunden später löst sich meine Urinalbeckensteinlösung auf wie ein Urinalbeckenstein. Zu meinem Entsetzen ist die Dose nämlich leer. Die Putzfrau scheint kurz vor den Feierlichkeiten noch aktiv geworden zu sein. Und ein weiterer Blick in die Herrenurinale bestätigt dies. Da liegen sie. Meine fünfunddreißig grünen Freunde. Aufgereiht und waldmoosduftend. Die Entscheidung fälle ich schnell und mit nur erstaunlich geringer Hemmschwelle. Ich greife in das Porzellan und angele mir zwischen Daumen und Zeigefinger den am wenigsten aufgelösten Stein heraus,
lasse etwas Wasser im Waschbecken darüberlaufen, was wohl mehr eine Alibifunktion hat, und reibe mir den Würfel links und rechts kreisend durch meine Achselhöhlen. Im Anschluss rieche ich prüfend an beiden und stelle fest, dass der Duft erstaunlich angenehm ist. Dieses Ergebnis motiviert mich auch zur Reinigung des zweiten Krisenherds. Zufrieden schaue ich in den Spiegel und nicke mir selbst zustimmend ein Okay, mach es, Robert zu. Dann öffne ich meinen Gürtel, und der grüne Freund verbreitet auch in meinem Schrittbereich den betörenden Duft eines deutschen Mischwalds.
Das ist der Startschuss für einen älteren Herrn, der just in diesem Moment durch die Tür hereinkommt und sich direkt neben mir an einem der Pissoirs positioniert. Ertappt ziehe ich schnell meine Hand aus der Hose, schließe diese samt Urinalbeckenstein und wasche mir die Hände. Doch der alte Mann hat mich
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