Weichei: Roman (German Edition)
und meine Hand in der Hose sehr wohl gesehen.
»Machen Sie sich nichts draus, junger Mann. Ich kenne das. Du kannst schütteln und kannst klopfen, in die Hose geht der letzte Tropfen.«
Dazu lacht er kehlige Töne, die im Porzellan des Pissoirs nachbeben.
»Sie sagen es«, lache ich mit. Doch aufgrund meines noch nicht gänzlich abgeklungenen Rasurbrands spüre ich gerade, wie sich neben dem Waldmoosduft auch noch ein mittelgroßer Waldbrand in meinem Schritt ausbreitet. Der Rentner klopft sich gefühlte vierzig Minuten lang sein Gemächt ab, bevor er endlich ans Waschbecken tritt. Ich warte, bis er die Hände gewaschen, am Gebläse getrocknet und sich durch die Tür verabschiedet hat. Schnell greife ich mir umgehend den Urinalbeckenstein aus den Shorts und werfe ihn zurück zu seinen vierunddreißig anderen Freunden. Das Ende des flammenden
Infernos. Zur Beruhigung lasse ich mir etwas Luft vom Gebläse in die Waldmoos-Feuerschneise pusten und hoffe, dass der Greis nicht noch mal zurückkommt, um sich die restlichen Milliliter abzuschütteln. Doch er bleibt fern. Dann fühle ich mich stark genug, um den Weg zurück in die Manege zu gehen. Wieder schaue ich mich im Spiegel an.
Du bist bereit, Robert.
Sei nur ein einziges Mal mutig und kein Weichei.
Los jetzt.
Der Weg von den Toiletten zurück in den Saal ist wie ein Gang durch einen Tunnel. Und am Ende dieses Tunnels erblicke ich sie. Mein Licht. Jana. Wie in Trance gehe ich auf sie zu und umfasse ihre Hüften. Sanft und doch bestimmend ziehe ich sie fest an mich. Sie schaut mich zunächst verdutzt an, doch im nächsten Moment lächelt sie, streicht mir über das Gesicht und zieht mich noch näher zu sich.
Ich schlucke.
Es funktioniert.
Ich fühle mich wie ein Grundschüler, der voller Nervosität den Notenspiegel von der Tafel liest und keine Ahnung hat, wo er sich wiederfinden wird.
Ich schlucke ein weiteres Mal.
Dann höre ich Janas Stimme. Allerdings vernehme ich diese nur wie durch einen Schleier und glaube, mich im ersten Moment zu verhören.
Doch es ist die Realität.
Und die Worte klingen wie eine Erlösung.
Sie bedeuten das Ende meiner Pechsträhne.
Das Ende alles Schlechten.
Der Wendepunkt.
Der Beginn von etwas Gutem.
»Komm, Robert, lass uns gehen!«
16
Postkarten für die Crew
D er nächste Morgen ist wie eine Wiedergeburt für mich.
Ich fühle mich großartig. Dennoch muss ich mich zusammenreißen. Nicht dass Jana denkt, ich sei verliebt und wolle gleich mit ihr eine Beziehung eingehen. Bloß nicht. Ich bin ja gerade erst zu meiner Mission gestartet. Werde mich doch nicht gleich wieder der Erstbesten versprechen.
Oder?
Nein.
Nein, ich genieße meine Freiheit.
Will sie atmen.
Etwas erleben.
Ein Hai sein.
Aber ich muss zugeben, dass ich Jana echt mag. Nach der Trauung und der anschließenden Feier hatten wir jedenfalls unsere ganz eigene Hochzeitsnacht in meinem Hotelzimmer. Und um es mit einem Wort zu beschreiben: Es war der Hammer! Waldmoos de luxe! Es war toll. Toll, weil ich keine Mushishu oder irgendeine Nadascha dazu im Internet oder sonst wo auftun musste, sondern weil es sich einfach so ergab. Ich kam, sah und siegte. Oder besser. Ich wurde gesehen, kam dann und fühlte mich wie ein Sieger. Jana verabschiedete sich von mir nach dem Frühstück, jedoch nicht, ohne mich noch mal daran zu erinnern, dass ich ihr ja versprochen habe, eine Postkarte von meinem nächsten Flug schicken zu wollen.
Ich und meine große Schnauze!
Gott sei Dank weiß ich nicht mehr so ganz genau, was ich ihr noch alles erzählt habe.
Als ich später auf der beschwingten Rückfahrt am Flughafen vorbeikomme, habe ich aber schon die passende Lösung des Problems parat.
Ich bin halt ein kleines Füchschen.
Ich biege ab und fahre zum Terminal eins, wo ich mein Auto parke. In einem Lufthansashop kaufe ich mir zunächst mal einen Pack Postkarten mit dem Foto einer Boeing 747 vorn drauf. Anschließend setze ich mich kurz auf eine Bank im Wartebereich und überlege, was ich schreiben soll. Irgendwas Witziges, das aber auch nicht zu viel Freude ausstrahlt. Sonst weiß sie gleich, dass ich sie klasse finde, und das ist nie gut. Schließlich bin ich Pilot einer 747, mich beeindruckt so schnell nichts.
Liebe Jana … Zack, und schon werfe ich die erste Karte weg. Liebe Jana? Das hört sich an, als wollte ich sie zum Kindergeburtstag samt Topfschlagen einladen. Nein, das muss maskuliner und cooler klingen.
Hi, Jana!
Sind gerade in Mexiko angekommen und
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