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Weichei: Roman (German Edition)

Weichei: Roman (German Edition)

Titel: Weichei: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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solche intimen Dinge Gesprächsstoff werden. Doch dafür bin ich Jutta gerade viel zu dankbar.
    »Verstehe. Wünsche dir jedenfalls einen schönen Urlaub, und noch mal danke für deinen Anruf.«
    »Kein Thema. Bis dann vielleicht beim Klassentreffen.«
    »Ja, bis dann.«
    Ich beende das Gespräch, lege das Handy auf den Tisch, atme tief durch und schaue mein staubiges Grubenarbeitergesicht im Spiegel an. Ein Lächeln findet sich trotz allem darin, und ich nicke mir selbst zu.
    »Na dann, Glück auf.«

15
Die Hochzeit
    M ein Anzug sitzt beschissen, und meine Tischnachbarn unterhalten sich ausschließlich über ihre Kinder und deren fast übermenschlich erscheinende Entwicklungsstände. So habe ich mittlerweile einen erstaunlichen Einblick über die Fähigkeiten von Kleinkindern: Jakob ist demnach drei und bewegt sich im kleinen Einmaleins bereits recht sicher, David steht mit seinen fünf Jahren anscheinend kurz vor der Perfektionierung seiner ersten Fremdsprache, die er von dem Aupair-Mädchen aus Bolivien lernt, und Sarah-Maria vor dem entscheidenden Durchbruch zum Katalogmodel bei Neckermann.
    Nicht nur, dass mit den Namen dieser Kinder das gesamte Alte Testament kurz vor der Einschulung steht, stößt mir unangenehm auf, sondern vielmehr sind es ihre Kackbratzeneltern, die mich beinahe zum Kotzen bringen. Zumindest weiß ich jetzt, dass die Werbemacher tatsächlich eine Zielgruppe treffen.
    Ein schwacher Trost.
    Es war eine spontane Idee, auf Peters Hochzeit nach Mannheim zu fahren. Und obwohl mir meine Spontaneität die letzte Zeit nicht gerade zu Glücksmomenten verholfen hat, habe ich mich dennoch ins Auto gesetzt. Masochismus nennt man das wohl. Außerdem bin ich neugierig, wie weit meine schwarze Serie noch reichen wird. Jedenfalls hatte ich
Peter dann doch angemailt und gefragt, ob er mir ein Zimmer zur Übernachtung reservieren könnte, was er auch gerne tat und ich nun bereue, da ich lieber zu Hause wäre. Am Eck bei Trude und meinen Hartz-IV-Freunden.
    Stattdessen sitze ich nun hier mit den Müttern und Vätern der kommenden Nobelpreisträger. Immerhin habe ich schon während des Essens, bei dem ich mich nur sehr rudimentär an der Tischkonversation beteiligte, intensiv den alkoholischen Freigetränken zugesprochen, die nun auch langsam zu wirken beginnen. Es gibt Bier, Wein und Wodka Lemon. Bis zum Hauptgang hatte ich alles durchprobiert und mich ab der Nachspeise nur noch konsequent an den Wodka gehalten. Der ballert am schnellsten, und seit ich mit dem Barkeeper ein Agreement getroffen habe, dass er mir so lange die Dinger hinstellen soll, bis ich abwinke, ertrage ich die Hochzeit sehr mannhaft.
    Nachdem das gefeierte Brautpaar einen Nagel in einen Holzpflock geschlagen, Herzblatt gespielt und ein zwei Meter großes Herz aus einem Bettlaken geschnitten hat, um anschließend durchzuschlüpfen, hat sich die Gesellschaft mittlerweile unter den Klängen einer fragwürdigen Musikkapelle bunt vermischt.
    Die meisten tanzen.
    Ich sitze.
    Alle sind fröhlich.
    Ich saufe.
    Alle lachen und sind total cool drauf.
    Ich sitze weiter am Tisch und saufe mit mir selbst.
    Nun sogar alleine.
    Denn wenigstens haben sich diese nervigen Erfolgseltern verabschiedet. Sie müssten nach Hause  – wegen der Kinder. Na klar, die Heiligenriege will gepflegt und betreut sein.
Nicht dass die Eltern mal eine Nacht weg sind und die Fratzen bis zum Frühstück die Relativitätstheorie widerlegt haben, ohne auf ihre Eltern zu warten.
    Erschrocken fahre ich zusammen, als mich unvermittelt jemand an die Schulter tippt.
    »Hallo, ich bin die Schwiegermutter von Peter. Wir haben hier ein Buch, in dem alle Gäste ihre Wünsche an das Paar eintragen können.«
    Die äußerst wohlbeleibte Dame reicht mir ein ledergebundenes Buch mit zwei sich küssenden Tauben. Mir wird schlecht.
    »Nur Sie fehlen noch.«
    »Aus gutem Grund.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich mag so was nicht. Und romantische Reime kann ich auch nicht bieten.«
    »Ach, nun seien Sie doch nicht so. Irgendwas Persönliches wird Ihnen doch einfallen.«
    »Na gut, Sie geben ja doch keine Ruhe.«
    »Was?«
    »Ach, nichts. Geben Sie her.«
    Ich nehme den Stift in die Hand und überlege mir, welch lyrischer Text mir in meinem benebelten Hirn zu meinem neuen Lieblingsthema »Hochzeit« noch einfällt. Die Schwiegerkugel ist mir keine große Hilfe. Sie reckt zum Rhythmus der Band ihre wulstigen Arme stimmungsvoll in die Höhe und symbolisiert so wohl ihre überbordend gute Laune.

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