Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)
für Euch gespart, kommt mit herein in die Stube, in der Schublade da liegt es, es werden so nach und nach fünfzig Taler geworden sein.«
Der Fleischermeister staunte, ließ sich aber den Ochsen geben und folgte der Frau in die Stube, auch die fünfzig Taler in die Tasche zu stecken. Wie sie in die Stube kamen, sagte die Frau: »Herr Winter, Ihr seid doch wirklich sehr lang. Ich bitte, stellt Euch einmal da an die Tür, damit ich Euch ordentlich messen kann.« Der große Fleischermeister stellte sich auch richtig an die Tür. Die Frau aber nahm etwas Kreide, stieg auf einen Stuhl und machte einen Strich über seinem Kopf an die Wand. Dann klatschte sie in die Hände und sprach: »Es ist mir lieb, daß ich Euch gemessen habe. Es wird immer soviel vom langen Winter gesprochen, und wenn nun wieder auf den die Rede kommt, so kann ich doch auch mitsprechen und sagen: soundso lang ist er, o, den kenn’ ich recht gut.«
Nun muß sich der lange Winter in den Lehnstuhl setzen, die Frau aber eilt in die Küche, knickt Holz und macht ihm einen Kaffee. Den trinken sie miteinander aus, und die Frau ist sehr vergnügt, daß sie nun auch sagen kann, der lange Winter hat einmal bei ihr Kaffee getrunken. Darauf zählt sie ihm die fünfzig Taler vor, und die steckt er in die Tasche. Nun hilft sie ihm, den Ochsen vom Futtertrog zu lösen, und sieht dem langen Winter noch eine Zeit nach, wie er so wohlgemut mit ihrem Ochsen und ihrem Geld dahinzieht. Bald darauf kam eine andere Frau zu ihr, der sollte sie etwas abkaufen. Da sagte sie ganz schnippisch: »Ich habe jetzt kein Geld. Wenn man Bekanntschaft hat mit dem langen Winter, wie mein Mann und ich, so kann man sein Geld besser gebrauchen.«
Das war nun alles recht gut. Als aber der kluge Mann nach Hause kam, und die Frau ihm mit der Nachricht entgegensprang, daß der lange Winter dagewesen sei und sie ihm den Ochsen und das Geld geschenkt habe, da war er sehr unglücklich, denn er sah alle seine Hoffnungen, den Winter hindurch mit seiner Frau zu bestehen, auf einmal gescheitert. Er sagte zu ihr: »Von jetzt an sind wir geschieden, ich will nichts mehr mit dir zu schaffen haben und so lange gehen, bis ich einen dümmeren Menschen antreffe, als du bist. Hab ich den gefunden, so komme ich wieder zu dir. Bis dahin aber leb wohl.«
Er macht sich also wieder auf den Weg und geht eine ganze Strecke weit, findet aber nirgends einen dümmeren Menschen als seine Frau. Endlich blies der Wind schon ganz winterlich übers Stoppelfeld, und da kommt eine Frau Amtmännin auf einem Schimmel dahergeritten. Da bleibt er stehen und sieht fortwährend gen Himmel. Nun ist eine Frau Amtmannin auch neugierig, so gut wie eine Tagelöhnerfrau, und will wissen, was in der Welt vorgeht. Darum hält die Dame ihren Schimmel an und fragt, was er denn da mache und warum er fortwährend gen Himmel sähe. Er aber winkte ihr: sie solle nur ruhig sein, er sei soeben vom Himmel gefallen und müsse das Loch im Auge behalten, wo er herausgefallen sei, damit er wieder hinein könne, denn hier auf der Erde könne er doch nicht bleiben, das sei nichts für ihn, wer erst einmal im Himmel gewesen sei, dem wäre es hier zu gewöhnlich.
Wie die Frau Amtmännin das hört, fragt sie sogleich: Wenn er aus dem Himmel sei, ob er dann ihren Sohn nicht kenne, der vor zwei Jahren gestorben wäre. Ja, sagt er, den kenne er wohl, dem ginge es oben schlecht, denn weil er vom Lande sei und mit der Wirtschaft Bescheid wüßte, so müsse er oben Futter schneiden. Darüber fängt die Frau Amtmännin gewaltig an zu jammern, daß ein Amtmannssohn im Himmel Futter schneiden müsse. Sie sagt, das hätte sie nicht gedacht. Ob sie ihrem Sohn denn wohl nicht mit etwas Geld unter die Arme greifen könne? Sie hätte hier einen Beutel mit tausend Talern, den sollte sie von ihrem Mann ihrem Stiefsohn bringen, der fortwährend in großer Geldverlegenheit sei. Wenn sie nun wüßte, daß ihrem verstorbenen Sohne damit geholfen werden könne, so würde sie ihm auf der Stelle den Beutel mit in den Himmel schicken, denn er sei doch von ihrem eigenen Fleisch und Blut, und ihr Stiefsohn könne warten. Der kluge Mann sagt, das Geld wolle er schon besorgen, er sähe ihren Sohn im Himmel alle Tage.
Die Frau gibt ihm also den Beutel. Er sagt: Da er nun einmal auf der Erde sei, so wolle er doch hier auch seine Verwandten einmal besuchen. Das Loch im Himmel, woraus er gefallen sei, hätte er sich genau gemerkt, und darauf könne sie sich verlassen, morgen um
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