Weihnachten mit einem Dieb (Romeo & Julian) (German Edition)
Essen zu probieren und einfach nur die Atmosphäre zu genießen. Jetzt allerdings gab es Wichtigeres zu erledigen. Er sah sich die Gesichter der anderen Gäste an. Selbst die Menschen um ihn herum sahen aus wie echte Franzosen. Viele von ihnen hatten olivfarbene Haut und dunkelbraune Augen und Julian entdeckte tatsächlich ein oder zwei Berets. Allerdings keine Spur von Romeo, also war das Ganze wohl entweder eine Falle oder ein schlechter Scherz. Er sah sich noch einmal im Inneren des Cafés um. Diesmal hielt er nach allem Ausschau das von Bedeutung sein könnte, nicht nur nach dem, was er sehen wollte. Doch er fand noch immer nichts. Nichts Verdächtiges, nichts—
„Café au lait et un pain au chocolat d’accord avec toi, mon cher?“ fragte eine sanfte Stimme direkt hinter seinem Ohr. Ein Schauer lief Julians Rücken hinunter.
„Was zum—?“
„Assieds-toi.“
„Ich spreche kein Französisch“, grummelte Julian, einfach nur um widerspenstig zu sein.
„Ach nein? Schade. Setz dich.“
Julian nahm sich einen Stuhl. Romeo stellte das Tablett das er in den Händen hielt auf den Tisch. Dann rutschte er auf die zerbrechlich wirkende kleine Bank in der hinteren Ecke der Sitznische. Eine gute Wahl, strategisch gesehen. Der Platz erlaubte ihm freie Sicht auf den Eingangsbereich und jeden der sich ihnen näherte während er gleichzeitig ihn, oder besser sie beide, vor Blicken von außen schützte. Hätte Julian Verstärkung mitgebracht, würde Romeo mehr als genug Zeit haben um zu entkommen bevor irgendjemand in seiner Nähe war.
„Was willst du?“ fragte Julian der versuchte Romeo diskret einer optischen Prüfung zu unterziehen. Verdammt, der Mann sah einfach nur gut aus. Es war das erste Mal das Julian ihn bei Tageslicht—naja, in der Beleuchtung eines Cafés—sah, aber was er sah gefiel ihm.
Romeo trug einen feingestrickten dunkelgrauen Rollkragenpullover der, dem Aussehen nach zu urteilen, wieder aus Kaschmir war und Erinnerungen weckte die Julian wirklich nicht brauchte. Kombiniert mit einer eleganten schwarzen Hose und einem maßgeschneiderten Mantel war Romeos Stil nicht viel anders als der des typischen New Yorkers in diesem Teil der Stadt. Er hätte jeder sein können, vom Börsenmakler bis zu einem der vielen Dutzend Anwälte die ihre Büros in der Gegend hatten, oder sogar ein Schauspieler der die Zeit zwischen Vorsprechen totschlug.
Allmählich wurde Julian klar warum niemand eine brauchbare Beschreibung von Romeo hatte liefern können. Es war keineswegs so, dass seine Verkleidung übermäßig gut war, oder er nicht auffiel, denn das tat er, aber er fügte sich ein. So hübsch er auch war, es war nicht einfach ihn zu beschreiben, sogar für jemanden der darauf trainiert war einprägsame und eindeutige Personenbeschreibungen zu liefern.
Julian verglich das Profil, das sie hatten mit dem was er vor sich sah. Ein männlicher Weißer, eins achtzig groß, achtzig Kilo, schlank und sportlich, mit braunen Haaren und blauen Augen. Ein hübscher, markanter Unterkiefer. Ein kleines Kinngrübchen, hohe Wangenknochen. Keine besonderen Merkmale wie Narben in seinem Gesicht. Und auch nicht an anderen Stellen seines Körpers, auch wenn die offizielle Beschreibung das nicht erwähnte. Sinnliche Lippen die unglaublich erotisch aussahen wenn sie den Penis seines Partners umschlossen. Lippen die gerade zu einem beunruhigend wissenden Lächeln verzogen waren. Julian wusste dass er durchschaut war.
„Wenn ich mich nicht irre, wolltest du mich sehen“, sagte Romeo gelassen. Ja, richtig. Diese verzweifelte Bitte. Wir müssen reden.
Waren das nicht die Worte die normalerweise jeden Mann dazu brachten davonzulaufen so schnell er konnte so lange er es noch konnte? Und dennoch war Romeo hier, hatte ihn gefunden und war das Risiko eingegangen in eine Falle zu tappen. Zugegeben, das Risiko war gering, da ja Zeit und Ort des Treffens seine Wahl gewesen waren. Und überhaupt, warum hätte er nicht kommen sollen? Es war schließlich nicht so als hätte Julian bei ihrem Techtelmechtel letztes Jahr ungewollte schwanger werden können. Nein, wenn wäre das Romeo gewesen, schließlich war er ja derjenige— Oh, verdammt, warum muss ich denn dauernd an diese total unpassenden Dinge denken? Warum kann ich nicht einfach sauer auf diesen kleinen Scheißer sein?
Auf der anderen Seite des Tischs hielt Romeo die Luft an. Seine Augen wurden schmal und ruhten auf Julian, zum wahrscheinlich ersten Mal während dieses Treffens.
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