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Weihnachten mit Maigret

Weihnachten mit Maigret

Titel: Weihnachten mit Maigret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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verschwand?«
    »Nein. Ich glaube nicht.«
    »Hat die Polizei die Geschäftsräume durchsucht?« »Es war alles in Ordnung, genauso wie am Vortag. Nichts war verschwunden.«
    »Wissen Sie, was aus Madame Lorilleux geworden ist?«
    »Sie hat einige Zeit von dem Geld aus dem Verkauf des Ladens gelebt. Ihre Kinder sind jetzt sicher erwachsen und wahrscheinlich verheiratet. Sie hat ein kleines Kurzwarengeschäft nicht weit von hier, in der Rue du Pas-de-la-Mule.«
    »Hatten Sie weiterhin Kontakt mit ihr?«
    »Manchmal ging ich in ihren Laden. Auf diese Weise erfuhr ich überhaupt erst, dass sie Kurzwarenhändlerin geworden war. Zunächst habe ich sie gar nicht wiedererkannt.«
    »Wie lange ist das jetzt her?«
    »Ich weiß es nicht genau. Ungefähr sechs Monate.«
    »Hat sie Telefon?«
    »Das weiß ich nicht. Warum?«
    »Was für ein Mensch war Lorilleux?«
    »Meinen Sie äußerlich?«
    »Ja, zunächst einmal äußerlich.«
    »Er war groß, größer als Sie, und noch breitschultriger. Er war dick und dabei schwammig. Sie wissen, was ich damit meine. Er war keine sehr gepflegte Erscheinung.«
    »Wie alt?«
    »Ungefähr fünfzig. Ich weiß es nicht genau. Er trug einen kleinen graumelierten Schnurrbart, und seine Anzüge waren ihm immer zu weit.«
    »Kannten Sie sich in seinen Gewohnheiten aus?«
    »Er ging jeden Morgen zu Fuß ins Geschäft und war etwa eine Viertelstunde vor mir da, so dass er bereits die Post durchgesehen hatte, wenn ich ankam. Er sprach nicht viel, war eher mürrisch. Er verbrachte den größten Teil des Tages in dem kleinen Büro hinter dem Laden.«
    »Keine Frauengeschichten?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Machte er Ihnen nicht den Hof?«
    Sie erwiderte schroff:
    »Nein.«
    »Hing er sehr an Ihnen?«
    »Ich glaube, ich war ihm eine wertvolle Hilfe.«
    »Hat Ihr Mann ihn gekannt?«
    »Sie haben nie miteinander gesprochen. Jean wartete manchmal am Ausgang des Ladens auf mich, hielt sich jedoch in einiger Entfernung. Ist das alles, was Sie wissen wollen?«
    In ihrer Stimme schwang Ungeduld, vielleicht ein wenig Zorn mit.
    »Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, Madame Martin, dass Sie es waren, die zu mir gekommen ist.«
    »Weil diese verrückte Alte sich auf die Gelegenheit gestürzt hat, Sie aus der Nähe zu sehen, und mich fast gewaltsam zu Ihnen geschleppt hat.«
    »Mögen Sie Mademoiselle Doncœur nicht?«
    »Ich mag keine Leute, die sich in Angelegenheiten mischen, die sie nichts angehen.«
    »Tut sie das?«
    »Wir haben das Kind meines Schwagers bei uns aufgenommen, wie Sie ja wissen. Ob Sie mir glauben oder nicht, ich tue für Colette alles, was ich kann, ich behandle sie wie meine eigene Tochter...«
    Maigret konnte sich die Frau, die ihm gegenübersaß und sich soeben eine neue Zigarette angezündet hatte, noch so genau ansehen: aus einem unbestimmten, unsicheren Gefühl heraus gelang es ihm einfach nicht, sie sich als Mutter vorzustellen.
    »Nun, unter dem Vorwand, mir helfen zu wollen, mischt sie sich andauernd in meine Angelegenheiten. Wenn ich für ein paar Minuten weggehe, steht sie mit zuckersüßer Miene im Flur und sagt:
    >Sie wollen Colette doch wohl nicht ganz alleine lassen, Madame Martin? Lassen Sie mich ihr Gesellschaft leisten!< Ich glaube fast, sie vergnügt sich in meiner Abwesenheit damit, in meinen Schubladen herumzuwühlen.«
    »Trotzdem ertragen Sie sie.«
    »Weil ich es eben muss. Colette verlangt nach ihr, vor allem, seitdem sie im Bett liegt. Auch mein Mann mag sie sehr, weil er, als wir noch nicht verheiratet waren, eine Rippenfellentzündung hatte und sie ihn gepflegt hat.«
    »Haben Sie die Puppe, die Sie für Colette zu Weihnachten gekauft hatten, wieder zurückgebracht?«
    Sie hob die Augenbrauen und blickte zur Verbindungstür.
    »Sie haben sie also ausgefragt. Nein, ich habe sie nicht zurückgebracht, aus dem einfachen Grund, weil ich sie in einem großen Warenhaus gekauft habe und die Warenhäuser geschlossen sind. Möchten Sie sie sehen?«
    In ihren Worten lag Herausforderung; er ließ sie sich, entgegen ihren Erwartungen, zeigen und untersuchte den Karton, auf dem noch der Preis stand, der sehr niedrig war.
    »Darf ich Sie fragen, wohin Sie heute Morgen gegangen sind?«
    »Ich hab Einkäufe gemacht.«
    »In der Rue du Chemin-Vert? Oder Rue Amelot?«
    »In der Rue du Chemin-Vert und in der Rue Amelot.«
    »Ich möchte nicht neugierig sein, aber was haben Sie eingekauft?«
    Sie ging wütend in die Küche, holte die Einkaufstasche und knallte sie fast auf

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