Weihnachten mit Maigret
den Esszimmertisch.
»Sehen Sie selbst nach!«
Die Tasche enthielt drei Dosen Sardinen, Schinken, Butter, Kartoffeln und Lattich.
Sie sah ihm unfreundlich und unbeweglich ins Gesicht, zitterte jedoch nicht, und in ihrem Blick lag mehr Gereiztheit als Angst.
»Haben Sie noch weitere Fragen?«
»Ich wüsste gerne den Namen Ihres Versicherungsagenten!«
Man sah, dass sie nicht sofort verstand. Sie strengte ihr Gedächtnis an.
»Mein Versicherungsagent...«
»Jawohl. Derjenige, der Sie besucht hat.«
»Entschuldigen Sie bitte! Das hatte ich ganz vergessen. Sie sprachen nämlich von meinem Versicherungsagenten, so als hätte ich tatsächlich etwas mit ihm zu tun. Das hat Colette Ihnen also auch erzählt! In der Tat ist jemand gekommen, zweimal, einer von denen, die von Tür zu Tür gehen, und bei denen man seine liebe Mühe hat, sie loszuwerden. Zuerst glaubte ich, er wolle elektrische Staubsauger verkaufen. Es ging um eine Lebensversicherung.«
»War er lange bei Ihnen?«
»So lange, wie ich brauchte, um ihn rauszuwerfen, um ihm klarzumachen, dass ich keinerlei Lust hatte, eine Police für mich oder meinen Mann zu unterzeichnen.«
»Von welcher Gesellschaft kam er?«
»Er hat sie mir genannt, aber ich habe den Namen vergessen. Irgendetwas mit >Mutuel<...«
»Er hat es noch einmal versucht?«
»Das stimmt.«
»Zu welcher Uhrzeit muss Colette schlafen?«
»Um halb acht mach ich das Licht aus, aber manchmal erzählt sie sich eine Weile noch leise irgendwelche Geschichten.«
»Das zweite Mal ist der Versicherungsagent also nach halb acht abends bei Ihnen gewesen?«
Sie hatte die Falle bereits bemerkt.
»Das ist möglich. Ich war tatsächlich gerade dabei, das Geschirr abzuwaschen.«
»Haben Sie ihn hereingelassen?«
»Er hatte den Fuß zwischen die Tür gestellt.«
»Hat er sich auch an andere Mieter des Hauses gewandt?«
»Davon weiß ich nichts. Ich nehme an, dass Sie sich danach erkundigen werden. Weil ein kleines Mädchen den Weihnachtsmann gesehen hat oder glaubt, ihn gesehen zu haben, verhören Sie mich seit einer halben Stunde, so als hätte ich ein Verbrechen begangen. Wenn mein Mann hier wäre...«
»Hat Ihr Mann eigentlich eine Lebensversicherung abgeschlossen?«
»Ich glaube. Höchstwahrscheinlich.«
Als er seinen Hut vom Stuhl nahm und zur Tür ging, rief sie überrascht:
»Sind Sie fertig?«
»Ja, das ist alles. Für den Fall, dass Ihr Schwager Sie besuchen kommen sollte, so wie er es anscheinend seiner Tochter versprochen hat, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie es mich wissen ließen, oder wenn Sie ihn zu mir schickten. Jetzt würde ich gerne ein paar Worte mit Mademoiselle Doncœur wechseln.«
Mademoiselle Doncœur folgte ihm in den Flur, ging ihm dann voraus, um die Tür zu ihrer Wohnung zu öffnen, die nach Kloster roch.
»Treten Sie ein, Herr Kommissar. Ich hoffe, es ist nicht zu unordentlich.«
Es war keine Katze zu sehen, kein kleiner Hund, keine Deckchen auf den Möbeln, auch keine Nippesfiguren auf dem Kamin.
»Wohnen Sie schon lange in diesem Haus, Mademoiselle?«
»Fünfundzwanzig Jahre, Herr Kommissar. Ich gehöre zu den ältesten Mietern, und ich erinnere mich, dass Sie bereits gegenüber wohnten, als ich hier einzog. Sie trugen einen langen Schnurrbart.«
»Wer wohnte nebenan, bevor Martin dort einzog?«
»Ein Ingenieur vom Straßenbauamt. Ich erinnere mich nicht mehr an seinen Namen, aber ich könnte ihn herausfinden. Er wohnte dort mit seiner Frau und seiner Tochter, einer Taubstummen. Es war ziemlich traurig. Sie verließen Paris, um sich auf dem Land niederzulassen, im Poitou, wenn ich mich nicht irre. Der alte Herr ist jetzt wohl schon tot, da er damals bereits im Rentenalter war.«
»Ist es in der letzten Zeit vorgekommen, dass Sie von einem Versicherungsvertreter behelligt wurden?«
»In letzter Zeit nicht. Seit mindestens zwei Jahren hat keiner mehr bei mir geklingelt.«
»Sie mögen Madame Martin nicht?«
»Warum?«
»Ich frage Sie, ob Sie Madame Martin mögen oder nicht.«
»Also, wissen Sie, wenn ich einen Sohn hätte...«
»Sprechen Sie weiter!«
»Wenn ich einen Sohn hätte, wäre ich nicht glücklich darüber, sie zur Schwiegertochter zu haben. Vor allem, wo Monsieur Martin so liebenswürdig ist, so zuvorkommend!«
»Glauben Sie, dass er mit ihr nicht glücklich ist?«
»Das will ich nicht sagen. Ich hab ihr eigentlich nichts vorzuwerfen. Sie hat das Recht, so zu sein, wie sie ist, nicht wahr?«
»Wie ist sie denn?«
»Ich weiß es auch
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