Weihnachten mit Mama
dir an diesem Abend danken. Für das schöne Leben, das ich an deiner Seite habe. Für die hohe Telefonrechnung, mittels derer du alle deine und meine Lieben beisammenhältst. Für die Überraschungen, die ich Tag für Tag mit dir erleben darf. – Es mag Menschen geben, deren Leben langweilig ist. Elisabeth Siebenschön gehört jedenfalls nicht zu ihnen. Es mag auch Menschen geben, mit denen das Leben langweilig ist. Auch da gehört Betty gewiss nicht dazu. Glücklicherweise hat sie einen sehr geduldigen Mann an ihrer Seite. Und glücklicherweise scheint sie das auch zu schätzen. Meistens jedenfalls. Ich bin sicherlich nicht der Mann, der dir, Betty, die Sterne vom Himmel geholt hat – hab’s dir aber auch nicht versprochen! Doch wir sind oft beisammengelegen und haben in den Sternenhimmel geschaut, und unzählige Sternschnuppen haben unzählige Wünsche von uns aufgenommen. Und was uns beide betrifft, meine Liebste – sie sind alle in Erfüllung gegangen. Du hast sie alle erfüllt. Meine Güte – was für ein Glück! Was für ein Geschenk!
Das ist heute also ein besonderer Tag. Ein Tag, vom Glück zu erzählen. Ein Tag, für das Glück dankbar zu sein, das diese Frau, meine Frau, in die Welt – und auch in meine Welt – gebracht hat. Wie oft hast du darauf hingewiesen, dass dein Geburtstag mit dem der Kaiserin Elisabeth zusammenfällt. 24. Dezember, schon ein ungewöhnlicher Tag! Ein Glückstag für alle Menschen, seit ältesten Zeiten, und besonders für uns, für mich.
Ich weiß, dass eines deiner Lieblingslieder ›Willst du dein Herz mir schenken‹ ist. Mein Herz hast du schon lange, über vierzig Jahre. Du hast es immer gehütet, mit Bedacht und mit Zärtlichkeit. Ich habe dir zu selten dafür gedankt, wenn ich den Dank auch oft empfunden habe. Darum schenke ich dir mein Herz heute Abend noch einmal. Es soll sich an deines schmiegen und das Glück für immer finden.
Ich liebe dich, Betty … Ja, fürwahr … Und wenn du nur einen Funken Verstand hast, dann nimm sie, meine Liebe, und fliege mit ihr davon. Denn ihre Flügel tragen weit.«
Mama hatte die ganze Zeit ihren Mann angeschaut, mit weit geöffneten Augen, als könne sie nicht glauben, was er ihr sagte. Tränen glitzerten in ihren Augen.
»Danke, Fritz«, hauchte sie. Dann stand sie auf, nahm ihren Fritz in die Arme und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. Was ungestümen Applaus der Tafelrunde provozierte. Bevor jedoch auch meinen Vater die Rührung übermannte, ergriff er sein Glas zu einem Toast.
»Auf unsere Betty! Sie lebe hoch! … Hoch! … Hoch!«
Bei jedem »Hoch!« wurden die Gläser gehoben, und der Enthusiasmus jedes Einzelnen ließ sich exakt an der Höhe seines Glashebens ablesen. Oma stieß mit ihrem Glas so hoch, wie es nur ging, als müsste sie sich im Klassenzimmer zu Wort melden. »Hurra!«, rief sie sogar. Auch Karin und Julie, Robert, Tina und meine Wenigkeit hoben die Gläser mit fröhlichem Schwung. Während Bernhard, Dorle und Max es wohl ein bisschen peinlich fanden, hier allzu offensichtliches Pathos zu zeigen. Am unteren Ende der Skala bewegte sich, wie nicht anders zu erwarten, Charlotte, die ihr Glas allenfalls fünf, zehn Zentimeter hochhob, gerade so, dass man nicht denken musste, sie verweigerte sich völlig der Gratulation.
»Und nun«, schloss mein Vater, »ist die Zeit gekommen, vom Genuss meiner frugalen Rede endlich zu kulinarischen Genüssen zu kommen, die Betty uns heute zugedacht hat und die … wie soll ich es sagen? … einem wahren Weihnachtswunder gleichkommen. Francis … Sie dürfen auftragen!«
Der Applaus war warm und lebhaft. Mamas Wangen glühten vor Rührung und Begeisterung. Sie schenkte ihrem Mann ein strahlendes Lächeln. Ja, wenn es darauf ankam, fand Friedrich Siebenschön immer noch die richtigen Worte. Auch ich war ziemlich angetan von seiner Rede, seiner »Laudatio«.
Dann schellte es an der Wohnungstür. Mama atmete hörbar auf.
17
Hm … hm … köstlich, nicht wahr?
S chon ihr Klingeln war hell, glöckchenhaft, zimbelig. Laura kündigte sich so an, wie sie war: eine bezaubernde Fee, die einen mit ihrer Gegenwart entzückte und alles Bedrückende wirbelwindgleich hinwegzuwischen pflegte.
»Da bin ich … Ach, ihr Lieben!«, rief sie in der Tür des Salons und stürzte nacheinander auf jeden zu, um ihn zu umarmen und abzuküssen, als sei sie fleischgewordener Kir royal.
Sie war allein gekommen, wie erwartet. Kein Jonathan, Jonas und Jean-Luc in diesem Jahr. Auch kein
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