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Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thanner
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ich, das sah Robert, sonst jedoch niemand, da mein Bruder die Tür blitzschnell wieder zuzog. Was sich unseren entsetzten Blicken geboten hatte, spottet jeder Beschreibung. Mit kaltblütiger Miene erfasste Robert die Lage und baute sich vor der Tür auf, bevor Mama die Sache in Augenschein nehmen konnte. Bruno war mit einem Satz aus der Tür gesprungen, umhechelte uns freudig erregt im Flur, sprang an jedem von uns hoch und schien um Lob und Anerkennung geradezu zu betteln. Julie, mit diesem canalen Terminator nicht vertraut, tätschelte ihm beruhigend den Kopf, sodass sich Bruno zu Stürmen der Zuneigung hinreißen ließ, die man nicht anders als Angriff auf die deutsch-französische Freundschaft, zumindest jedoch auf Julies hinreißende Seidenstrümpfe werten konnte. Was wollte er mit meiner Frau? Sie bespringen? Sie befruchten? Immer wieder hechtete er an Julie hoch, außer sich vor Freude, dass er ein ihm zugetanes Wesen gefunden hatte, an dem sich nicht nur seine Zunge austoben konnte.
    »O, du lieber Ünd «, sagte meine Frau, ahnungslos, wie sie war.
    Als Papa sah, dass Brunos verborgene Untaten nicht in seinem Bureau stattgefunden hatten, drehte er erleichtert ab und ging wieder zurück. »Einer muss sich ja hier um die Gäste kümmern«, brummelte er.
    Robert wandte sich seiner Mutter mit schuldbewusstem Blick zu. Die ahnte mehr, als sie wusste, und das war schon schlimm genug.
    »Robert … mach die Tür auf!«
    Mein Bruder schüttelte den Kopf. So, wie er es früher getan hatte, wenn er bei irgendwas erwischt worden war und es abstreiten wollte, solange es nur ging. Es ging nie lange. So auch dieses Mal nicht. Er versperrte mit seinem massigen Körper die Tür und hob abwehrend die Hände.
    »Nicht doch, Mama … Ich … ich bringe das wieder in Ordnung.«
    »Lass mich da rein …«
    »Nein!« Roberts Blick changierte von schuldbewusst zu trotzig.
    »Nun lass den Unfug. Öffne die Tür … ja?« Mama versuchte, ihn beiseitezuschieben. Er wehrte sich, verschränkte die Arme wie ein Wächter vor dem Heiligtum. Und stellte sich so breit in den Türrahmen, dass Mama keine Chance hatte, die Türklinke herunterzudrücken.
    »Ach, das ist doch wirklich albern«, rief meine Mutter erbost. »Du wirst mich doch wohl jetzt in mein Zimmer lassen!«
    Roberts Blick wechselte von trotzig zu verzweifelt.
    »Mama … wirklich … das musst du dir nicht ansehen. Ich bringe es in Ordnung … heute Abend noch … jetzt gleich!«
    »Ich fasse es nicht«, rief Mama und stemmte die Fäuste in die Seite. »Du willst mich nicht in mein Zimmer lassen? Nicht in mein Zimmer? Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein.«
    Ich beschloss, meinem Bruder zu Hilfe zu kommen. Doch Robert verstand meine Handbewegung falsch und zischte nur: »Halt du dich da raus!«
    »Okay, okay«, sagte ich begütigend. Und dann, zu meiner Mutter gewandt: »Es ist vielleicht wirklich das Beste, wenn Robert und ich uns das erst mal anschauen. Du hast ja heute Geburtstag«, schloss ich wenig logisch.
    Mama blickte mich an, dann nacheinander Robert, Tina und Julie, die weiterhin mit ihrem neuen Freund beschäftigt war, welcher sich immer neue Spielchen für sie ausdachte. Dann atmete sie tief aus, hob die Hände und ließ sie wieder sinken.
    »Ihr seid verrückt«, sagte sie nur. »Kommt, Mädchen … wir gehen zurück.«
    Sie hatte kapituliert. Das war so ungeheuerlich, dass ich es nicht zu glauben vermochte. Doch Mama wandte sich ruckartig ab, bedeutete Tina und Julie, ihr zu folgen. Und nahm den noch immer Purzelbäume schlagenden Bruno an die Leine. Er wurde nun kurzerhand in eines der kleinen Gästezimmer gesperrt, in dem sich außer Bett, Schrank und Stuhl nichts befand. Immerhin war meine Mutter so geistesgegenwärtig, das Tier nicht in Papas Bureau zu sperren, wo es seinen Feldzug der Verwüstung an prominenter Stelle hätte fortsetzen können.
    Ich sah Robert an, der sich zunehmend entspannte. Als sich die Tür zum Wohnzimmer wieder geschlossen hatte, machte er den Weg frei und öffnete das Boudoir. So sachte, als erwartete er hinter der Tür ein unheimliches Wesen, ein Monstrum, das nur Harry Potter würde bändigen können.
    » Oh, mein Gott!«
    Der Anblick, der sich mir bot, übertraf meine schlimmsten Befürchtungen. Bruno war an die Vorhänge gesprungen, in einem war ein unübersehbarer Riss.
Bruno hatte in Mamas offen stehendem Kleiderschrank gewütet, dass es eine wahre Hundelust gewesen sein musste – vor allem Dessous lagen überall verstreut.

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