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Weihnachtsgeschichten am Kamin 02

Weihnachtsgeschichten am Kamin 02

Titel: Weihnachtsgeschichten am Kamin 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Richter , Stubel,Wolf-Dieter
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Sie hatten sich lange darauf gefreut, und ich habe es erlaubt, obwohl ich Angst habe. Ich weiß, daß die Vorwürfe von außen nicht das Schlimmste für mich sein werden, wenn etwas passieren sollte, was ich versuche, nicht zu befürchten. Aber reicht nicht schon die massenhafte Anwesenheit bewaffneter Polizisten, die Spannung, die in der Luft liegt?
    Wie erleben das Kinder? Mir war gestern bange — der Weihnachtstrubel, von der Empore des Rathauses spielte eine Kapelle Weihnachtslieder — ich weiß nicht welche, ich konnte nicht aufnehmen. Es war absurd, überall die Mannschaftswagen, die Truppen und Gruppen in Kampfanzügen, die Demonstration von meist sehr jungen Leuten, in denen ich mir beim besten Willen nicht die Randalierer vorstellen kann, die Scheiben einschmeißen, und wieder Polizei mit Schild und Helm und Knüppeln, die chemische Keule einsatzbereit; und über allem verbreitet die Weihnachtsneonbeleuchtung ihr kaltes, diffuses Licht, thront die Kapelle und spielt von gnadenbringender Weihnachtszeit.
    Friede, Einkehr, Besinnung??? Mir ist kalt, nicht weil die Temperatur klirrend ist, nein, für Anfang Dezember ist es eher warm. Mir ist kalt und ich bin beklommen, weil ich diese Gegensätze nicht in mich aufnehmen kann, ohne die Angst, innerlich zu zerreißen. Denn es gibt ja nicht nur die Polizei und die Demonstranten, da sind auch die Passanten im üblichen Weihnachtsrummel, so als berührte sie das alles nicht, als nähmen sie nichts wahr. Oder, was noch schlimmer ist, sie regen sich auf: über die Störung, die Behinderung, die ihnen entsteht in ihrem fiebrig-hektischen Kaufzwang, durch das, was sie nicht sehen und nicht wahrhaben wollen. Die Demonstranten nämlich, die auf soziales Elend, Wohnungsnot aufmerksam machen, die «Idylle» stören.
    Sie empören sich nicht ob der vielen Polizisten, anscheinend fühlen sie sich durch diese nicht bedroht, weil sie in die «süßer die Kassen», ach nein, es waren die Glocken, «nie klingen»-Stimmung passen; sie gehören dazu.
    Und ich, wo stehe ich? Am Rand. Und mir schaudert.
    Advent, Zeit der Besinnung und Einkehr. Wo ist hier Platz für die Weihnachtsbotschaft? Waren nicht auch Maria und Joseph Besetzer, denn sie fanden keinen Raum in der Herberge, und ein Stall ist doch auch Privateigentum, oder? Und Lukas berichtet nichts davon, daß der Stall runtergekommen war oder schon lange unbewohnt. Dieses historische Besetzerpaar, besungen in den Liedern, die aus zahlreichen Lautsprechern plärren — was geschähe heute mit ihnen?
    Meine Gedanken werden vorsichtig, sehr vorsichtig. Wer käme statt der Hirten vom Felde? Was geschähe ob der Verkündigung, daß der Heiland geboren ist, welcher ist Christus, der Herr?? Maria und Joseph in U-Haft oder im Landeskrankenhaus???
    Und meine Kinder sind in der Stadt, auf dem Weihnachtsmarkt. Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all: zu Popkorn und Staatsraison.
    Ich bin hilflos, hab Angst in dieser gnadenbringenden Weihnachtszeit; fühle mich ohnmächtig und allein. Was werden die Kinder erzählen, wie soll ich ihre Fragen beantworten?
    Und schon wieder heulen Sirenen. Fahren weitere Mannschaftswagen in die Stadt?

    Anonym

«Weihnachtsgeschichte eines Landstreichers»
    oder
    «Heiligabend ist da, und ich gehöre nicht dazu!»

    Dies ist mir in all den Jahren noch nicht vorgekommen. Heiligabend ist da, und ich habe heute nacht kein Bett.
    Mein Rucksack ist im Gepäckschließfach des Bahnhofs. Am Morgen des Heiligen Abends bummle ich ohne die 25 Kilo auf dem Rücken durch die noch hektisch pulsierende Stadt. Die Leute machen ihre letzten Einkäufe vor der großen Ruhe. Bei mir ist schon Ruhe eingetreten: Mit reichlich zusammengebetteltem Geld in der Tasche versuche ich, diese Ruhe zu genießen. Mein (Weihnachtsgeschäft) ist erledigt. Die Fahrkarte, diesmal außergewöhnlich weit, gut 100 km weit in die nächste Großstadt, habe ich schon vorhin besorgt. Doch ich will jetzt noch nicht fahren, ich habe Zeit, viel Zeit. Zug fährt erst um halb vier am Nachmittag, jetzt ist es neun Uhr am Vormittag. Diesen Tag will ich erleben: Keine Kameraden von der Straße sehen, heute nicht! Und bloß nicht heute abend in eine Herberge gehen, heute nicht! Ich will keine helfenden Menschen sehen, triefendes Mitleid spüren, heute nicht! Ich will keine weihnachtliche Liebe spüren, wo sie doch sonst auch nicht da ist, heute nicht... Ich spreche keine Leute an wegen einer ; auf der Straße nicht, an den Haustüren

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