Weihnachtsgeschichten am Kamin 04
paar kleine Pakete hingen an der Lenkstange seines Rades. Mit einem kleinen Geldstück für den Postboten lief ich hinaus. Er gab mir ein paar Karten, einen Brief und ein Päckchen. «Und das Paket?» sagte ich, dem Heulen nahe. Die Tante, die auch hinzugekommen war, sah ebenfalls enttäuscht aus. Doch sie bekam eine Paketkarte in die Hand gedrückt mit den Worten: «Ick kunn nich mehr mitgriegen an min Rad, und dat Paket mut afholt warn!»
Ganz aufgeregt versprach ich, es zu holen. Aber wie? Die Poststation war in einem anderen Ort, mindestens eine Stunde zu gehen. Ein Rad besaßen wir nicht, doch eine Nachbarin, die auch ihre Post in Empfang nahm, bot uns ihre kleine handliche Schubkarre an. Kaum Mantel und Mütze an, ging es los. Bis zum Dorfausgang und dann einen Fuhrweg bergab ging es fast im Laufschritt. Dann ging es durch einen Wald wieder bergan, vorbei an Feldern, an einem Nachbardorf und bald sah ich den Kirchturm des Dorfes, in der auch die Poststelle war. Wie froh war ich, daß ich das Paket noch ausgehändigt bekam. Der Beamte schaute mich an und meinte: «Wie wullt du denn no Hus kamen?» Stolz in meinem besten Platt: «Buten steit en Schuvkor.» Zurück ging es fast immer etwas bergab. In Gedanken war ich mit meinen Wünschen und Auspacken beschäftigt, und plötzlich hatte ich den Wald wieder erreicht. Etwas dämmrig wurde es auch schon, aber ich würde ja bald zu Hause sein.
Plötzlich fielen Schneeflocken, immer dichter werdend. Ab und zu war ein leises Knacken zu hören von morschen Zweigen — es war wie im Märchen! Angst habe ich eigentlich nicht empfunden. Als ich endlich zu Hause bei der Tante ankam, waren wir beide glücklich. Es war für mich ein erlebnisreicher «Heiligabend» und bis heute unvergeßlich.
Vor der Bescherung gingen wir noch einmal nach draußen. Es schneite immer noch, und wir hörten die Kirchenglocken vom Nachbarort läuten.
Susanne Benien-Warncke
Süßer die Glocken nie klingen
Vor ein paar Jahren, wir waren frisch verheiratet, ergab sich für uns die Gelegenheit, recht kurz entschlossen, ein Einfamilienhaus zu erwerben.
Die Formalitäten waren schnell geregelt, so daß wir noch im Monat Dezember umziehen konnten.
Ein Umzug zu dieser Zeit ist sicher nicht außergewöhnlich, wäre da nicht mein Hobby...
Ich sammle Glocken aller Art!
Zum Zeitpunkt des Wohnungswechsels besaß ich ca. 800 Stück.
Weil ich durch eine Behinderung in meinen körperlichen Aktivitäten etwas eingeschränkt bin, beauftragten wir eine Spedition mit der Abwicklung des Umzugs...
An einem Freitag, morgens um sieben Uhr rückten drei Packer, beladen mit 150 Umzugskartons und Bergen von Seidenpapier an.
In unserer Wohnung war es schon etwas ungemütlich, aber in fast allen Räumen befanden sich noch Radios, die auch eingeschaltet waren. Als die Packer mit ihrer Arbeit begannen, erklang gerade das bekannte Weihnachtslied, «Süßer die Glocken nie klingen...»
Der Tag lief so dahin. Die Packer räumten und packten. Bald wurden die ersten Kisten abtransportiert...
Plötzlich, so gegen fünf Uhr nachmittags, der NDR spielte wieder das schöne Lied: «Süßer die Glocke nie klingen...», ließ lautes Geschrei alle in der Wohnung Beschäftigten zu fahren. «Stellt sofort den Kasten ab, ich kann es nicht mehr hören!» Der Packer, dem die Aufgabe zugefallen war, mein Arbeitszimmer einzupacken, war am Ende seiner Belastbarkeit angelangt. Seit Stunden verpackte er überwiegend Glocken bzw. Glöckchen. — Ein Ende war noch nicht absehbar. Irgendwann waren jedoch auch die letzten Sachen verpackt und der Umzug konnte, begleitet von leichtem Schneeregen und kleinen Hindernissen, die wohl jeder erlebt, wenn er umzieht, abgewickelt werden.
Inzwischen sind fünf Jahre vergangen...
Vor einigen Tagen bummelte ich durch die vorweihnachtliche Fußgängerzone. Ich stand vor einem Geschäft und betrachtete die Auslagen, als plötzlich unvermittelt ein Mann neben mir «Süßer die Glocken nie klingen...» summte.
Sicher habe ihn sehr verwundert angesehen.
Er grüßte und fragte mich, ob ich ihn nicht kennen würde?
Da ich ihn wirklich nicht einordnen konnte, verneinte ich seine Frage freundlich, aber auch irritiert.
Sein Kommentar: «Sie sind doch die Frau mit den vielen Glöckchen? Ich bin der arme Kerl, der alle verpacken mußte. Das werde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen!» Wir haben herzlich darüber gelacht...
Gerda Himstedt
Ein kleines Weihnachtswunder
Meine Mutter und ich lebten
Weitere Kostenlose Bücher