Weihnachtsgeschichten am Kamin 04
Lippert
Der Weihnachtsbaum
Es war... es war uns, als wäre ein Flimmern durch den Wald gegangen. Wir, eine Gruppe junger Leute, hielten uns im um für uns und unsere Familien noch das zu holen, ohne das es keine Feiertage geben würde: einen Tannenbaum. Die Tanne als der Inbegriff des Lebens, rank und schlank, gerade gewachsen und immer lebendig grün, also kurz gesagt: Das Sinnbild kraftstrotzender Gesundheit. Wir hatten hier immer unseren Weihnachtsbaum geholt und beabsichtigten, es auch weiterhin so zu handhaben. Aber was war das? Dort, wo früher eine lebende, grüne Tannenschonung gestanden hatte wie eine von saftigem frühjahrsgrün gezeichnete Weise, standen nur noch vereinzelt ein paar Bäumchen. Mickrige, von der Beutegier des Menschen zerstörte Gerippe ehemals blühenden Lebens. Der Mensch mit seiner Gier nach immer mehr Ertrag an besserem, größerem und anschaulicherem Gemüse hatte mit seinen Schädlingsbekämpfungsmitteln, seinen immer schnelleren Autos und anderen motorisierten Fahrzeugen und den damit verbundenen Abgasen zur Vernichtung der Schonung beigetragen. Doch was heißt hier Schonung? Genau das Gegenteil dessen war hier geschehen. Statt zu schonen war hier vernichtet worden. Als wir dieses Bild der Vernichtung «unseres Weihnachtsbaumes» sahen, bekamen wir es mit der Angst zu tun. Sollten unsere Tannenbäume in den kommenden Jahren immer so aussehen? Wir setzten uns gemeinsam auf einen der vielen abgestorbenen Bäume und beratschlagten, wie es weitergehen sollte. Wie können wir diesen Wald und somit unsere Weihnachtsbäume wieder begrünen? Wir beschlossen allesamt dafür unseren Anteil beizutragen. Als der Winter vorbei, der Schnee geschmolzen und das kommende Frühjahr sich durch steigende Temperaturen ankündigte, trafen wir uns wieder in der «Schonung». Wir nahmen unsere mitgebrachten Setzlinge und forsteten gemeinsam wieder auf. Der Landwirt, dem dieser Wald gehörte, sah uns und eilte herbei. Er erkundigte sich, was wir dort machten. Als wir ihm erzählten, was wir erlebt hatten und was wir uns vorgenommen hatten, wurde er ganz nachdenklich. Mit einemmal drehte er sich um und ging fort. Kurze Zeit später kam er mit seinem Trecker vom Acker zurück und pflügte dieses Stück Land um. Er versprach uns, einmal über das Für und Wider einer guten Ernte und einer gesunden Umwelt nachzudenken. Als wir im Laufe des Jahres feststellten, daß sich immer mehr Kleintiere und Vögel in die aufgeforstete Schonung zurückfanden, erfreute uns dieser Anblick sehr. Der Landwirt hatte sicher den größten Anteil an diesem Erfolg, obwohl ihn niemand weiter beim Unkrautjäten oder Hacken gesehen hatte. Er hatte sich wohl einige Tage und Nächte um die Ohren geschlagen, um zu dem wohl entscheidenden Entschluß zu gelangen. Er hatte sich für die Umwelt entschieden. Eine geringere Ernte, Gemüse in kleineren Größen und Mengen und nicht mehr ganz so schön anzusehen, nahm er fortan in Kauf, denn sein Gemüse schmeckte ihm auf einmal wieder. Und das Flimmern, welches wir damals als ein Zeichen nahender Weihnachtszeit aufgefaßt hatten, hatte sich im Laufe unserer Aufforstungsarbeiten als ein schlichter einfacher Zivilisationsschaden herausgestellt. Es war eine achtlos weggeworfene Bierflasche gewesen, auf der sich die letzten Sonnenstrahlen des damaligen Jahres brachen. Seither sind über zehn Jahre vergangen. Aber jedes Jahr aufs neue, wenn wir in «unseren» Tannenwald kommen, achten wir auf das gewisse Flimmern. Bisher haben wir es noch nie wieder bemerkt. Und oder gerade deswegen erfreuen uns immer wieder «unsere Tannenbäume».
Lieselotte Voß
Heiligabend 1927
Als zwölfjähriges Mädchen verlebte ich Weihnachten bei einer Großtante auf dem Lande in einem kleinen Dorf. Die betagte Verwandte konnte nicht mehr verreisen und wäre sonst sehr einsam gewesen. Ich bin gerne zu ihr gefahren, denn in den Ferien war ich oft dort, und die Bewohner und das Dorf waren mir vertraut.
Es war Heiligabend. Voller Erwartung war ich morgens chon zeitig aufgestanden und ging der Tante zur Hand. Es wurden ja noch der Ofen und der Herd mit Kohle geheizt. So mußte Holz und Kohle aus dem Stall geholt werden. Gemeinsam wollten wir den kleinen Tannenbaum schmücken.
Inzwischen war es zwölf Uhr geworden, und endlich sah ich den herbeigesehnten Postboten. Er mußte doch das versprochene Paket bringen von meiner Familie.
Eine prallgefüllte Brieftasche hatte er über die Schulter gehängt, und Päckchen und ein
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