Weihnachtsglanz und Liebeszauber
weggeradelt.
»Das war Rese«, sagte meine Ma. »Ich mache mir Sorgen. Was geht in meiner Tochter vor?«
»Na«, meinte Nick weise, »sie muss doch ihre beiden Freunde bei Laune halten. Heute ist wohl Giselbert an der Reihe, aber ich hab keine Ahnung, wo sie ihn trifft.«
Ich holte mein Handy aus der Tasche, tippte auf Reses Nummer, wartete und sagte schon: »Die geht nicht ran!« Aber da meldete sie sich. »Abendessen, Rese! Wir warten auf dich!«
Einen Augenblick war’s still, dann flüsterte sie: »Ich komme später, Ally.«
»Rese! Warum flüsterst du? Wo bist du? Was ist los mit dir?«
»Nichts ist los. Außer, dass ihr mir alle auf den Geist geht!«
Verdutzt starrte ich auf mein Handy.
»Was hat sie gesagt?«, wollte meine Ma wissen.
»Sie kommt später, und wir gehen ihr auf den Geist!«, wiederholte ich.
Mein Pa verlangte mein Handy und rief Reses Nummer auf. Aber klar, ein zweites Mal ging sie nicht ran.
Das Abendessen war eine ungemütliche Angelegenheit, und als sie dann endlich kam, ging ich sofort in mein Zimmer, weil ich von dem Zoff nichts mitbekommen wollte.
Noch später rief Jan mich an und sagte, er würde morgen früh gegen acht zum Stalldienst kommen, seine Eltern hätten nichts dagegen.
Mann o Mann, und jetzt war Sonntag!
Ich schaute auf den Wecker – sieben Uhr! – sprang aus dem Bett, stellte mich unter die Dusche, zog mich in höchster Eile an, kämmte kurz die Haare und ging in Reses Zimmer.
»Ally, bist du’s? Weck mich bloß nicht!«
Ich plumpste auf ihr Bett. »Wo warst du gestern?«
»Geht dich nichts an. War Jan hier?«
»Natürlich. Er wollte dich treffen. Wo warst du?«
»Geht dich – Mensch, Ally, ich war bei Giselbert. Sein Bruder ist immer noch sauer; er sagt, Pa hätte sich unmöglich benommen. Hofverbot sei kindisch, und natürlich hätte er unseren Hektor nicht mit Absicht angefahren, aber der Hund sei ihm einfach vors Moped gesprungen.«
»Er ist aber viel zu schnell gefahren«, wandte ich ein.
»Das habe ich auch gesagt.« Rese setzte sich auf. »Tatsache ist, dass Clemens das Hofverbot nicht akzeptiert.«
»Er reitet aber gar nicht bei uns. Weshalb regt er sich dann so auf?«
»Wegen Giselbert. Clemens will sich was überlegen. Hat er gesagt.«
Ich runzelte die Stirn. »Was denn?«
»Das weiß ich doch nicht. Eins sag ich dir, Ally – ich hab gerade eine richtige Pechsträhne. Tommy hat erfahren, dass ich neulich mit Leo geknutscht hab. Er hat sich tierisch darüber aufgeregt … Clemens will Pa eins auswischen, von Jan Jörk hab ich nichts gehört, obwohl ich ihm gestern eine SMS geschickt hab, Pa und Ma sind sauer – und das alles nur wegen Hektor!«
»Ne, das stimmt nicht«, entgegnete ich. »Du bist selbst schuld. Du machst dir viel zu viel Stress wegen der Jungs. Gib’s zu, Rese!«
Rese schüttelte den Kopf. »Anders herum ist’s richtig«, entgegnete sie. »Die Jungs machen mir Stress.«
»Ja, aber nur, weil –« Plötzlich schoss mir ein ganz neuer Gedanke durch den Kopf. »Sag mal, was ist eigentlich mit Clemens? Macht der dir auch Stress?«
Rese nickte.
»Ich fass es nicht … Er weiß doch, dass Giselbert dein Freund ist, oder?«
Wieder nickte meine Schwester.
»Ja – und?«
Meine Schwester hob die Schultern.
»Wie alt ist Clemens eigentlich?«
»Fast siebzehn«, flüsterte Rese, obwohl wir allein in ihrem Zimmer waren.
Mir dämmerte was. »Du warst gestern nicht mit Giselbert, sondern mit Clemens zusammen. Stimmt’s?«
Rese kam aus dem Nicken gar nicht mehr heraus. »Aber Giselbert darf das nicht erfahren. Nie! Schwör mir das, Ally!«
»Clemens ist ein Loser. Wie kann jemand seinen Bruder nur so unfair hintergehen. Rese, mit dem Typ musst du sofort Schluss machen.« Ich war richtig wütend auf Clemens. Und auf meine dusslige Schwester natürlich auch.
Mit einer heftigen Kopfbewegung schleuderte Rese ihre goldene Mähne aus dem Gesicht. »Das verstehst du noch nicht, Kleine. Giselbert ist ja ganz O.K. , aber Clemens … Clemens kann schon richtig küssen.«
Ich sah auf meine Hausschuhe hinunter. Die waren aus rotem Filz, warm, bequem und oben mit einem blau-weißen Blümchen verziert. Das war auch aus Filz. Beim linken fehlte ein Blütenblatt, das Sepi mal abgeknabbert hatte. Wie ich so auf meine Hausschuhe schaute, dachte ich an Jans Fast-Kuss – an den Hauch auf meiner Wange. Obwohl Jan mir natürlich absolut egal war, hätte ich den Hauch gegen keinen »richtigen« Kuss der Welt tauschen wollen, nicht mal,
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