Weihnachtsglanz und Liebeszauber
der Hand. »Liebeskummer wegen Jan? Ich denke, Giselbert ist Reses Freund.«
»Zwei Freunde sind besser als nur einer«, wiederholte Nick, was Rese vor Kurzem gesagt hatte. »Bekomme ich noch ein paar Nudeln, Ma?«
Den ganzen geschlagenen Nachmittag lang blieb Rese verschwunden, obwohl Jan Punkt zwei Uhr wieder auf dem Hof stand und zusah, wie die anderen ritten. Später versorgte er mit Pa, Benno und mir die Pferde – er lernte, das Fell mit der Kardätsche zu striegeln und mit dem Hufkratzer umzugehen, ohne von einem Pferd getreten zu werden. Er lernte, den Schweif und die Mähne zu bürsten und die Augen, Nüstern und die Maulspalte mit einem Schwamm zu säubern. Ganz zum Schluss fuhren wir beide noch mit einem weichen feuchten Tuch über Furys Fell, damit es einen seidigen Glanz bekam. Da standen wir ganz nahe beieinander, und Fury legte zuerst mir, dann Jan den Kopf auf die Schulter.
»Er mag dich«, sagte ich leise, um Fury nicht zu erschrecken.
»Er mag uns«, verbesserte Jan. »Ally, magst du …« Er räusperte sich. »Ich find’s schön, mit dir zusammen die Pferde zu versorgen«, sagte er schließlich mit rauer Stimme. »Und du? Findest du es auch schön?«
Ich nickte. »Aber klar doch. Ich mag alles, was mit unseren Pferden zu tun hat.«
Jan wischte über Furys Fell. Er wischte und wischte und sagte dann:
»Mensch, Ally, kapierst du denn nichts?«
Ich strich mit der Hand über Furys glänzendes Fell. »Was kapiere ich nicht?«
Wütend warf Jan das Tuch zu Boden. »Denkst du, ich bin ut’n Kopp gefallen? Ein Mädchen wie Rese hat tausend Freunde, deshalb würde ich bei ihr nie vor Anker gehen. Ich bin doch nicht beklötert!« Dann stapfte er aus der Box.
»He!«, schrie ich ihm hinterher. »Was geht’s mich an, ob du beklötert bist oder nicht?!«
9. Dezember
S onntag, 2. Advent! Genüsslich kuschelte ich mich noch ein wenig ins dicke warme Federbett und dachte an den Samstag.
Rese hatte sich den ganzen Nachmittag lang nicht blicken lassen und war nicht mal dabei gewesen, als wir in der Dämmerung im Hof standen – meine Eltern, Benno, Nick und sein neuer Freund Sam, die Reitschüler, Jan und ich. Wir tranken heißen Apfelsaft, den meine Ma mit Honig, Zimt und Nelken aufgepeppt hatte, wir aßen Dominosteine und Lebkuchenherzen, die Pferde schauten aus ihren Boxen zu uns heraus, Jash sprang herum, Sepi lag auf der Stufe vor der Küchentür, und sogar Hektor war mit steifen Beinen herausgehumpelt. Die Lichter, die die Tanne schmückten, brannten – bis auf Nummer sieben und neun – und die an den Girlanden über der Stall- und Küchentür natürlich auch.
»Die Adventszeit ist doch die schönste Zeit im Jahr«, meinte Benno gerührt. Das war der Moment, wo Jan den Arm um mich legte.
»Was soll das?«, erkundigte ich mich erstaunt. Eigentlich war es ja ganz nett, so nah neben ihm zu stehen und seine Wärme zu spüren; trotzdem trat ich einen Schritt beiseite. Meine Mutter zwinkerte mir zu. Wie peinlich, dachte ich und sah schnell weg. Dabei bemerkte ich, dass mein kleiner Bruder eine ganze Handvoll Dominosteine in seine Hosentasche steckte. Der Junge entwickelte sich zum Vielfraß, aber wirklich!
Später begleitete ich Jan zu seinem verrosteten Uraltrad. Rese hätte ihn bestimmt umarmt; ich fragte nur: »Kommst du morgen zum Reiten?«
»Ich habe mir gewünscht, dass du das fragst.« Jan schob das Rad aus dem Ständer, beugte sich vor … ich spürte seinen Atem an meiner Wange und sprang zurück.
»Klar komme ich.«
»Zum Stalldienst am Morgen?«
»Wann ist das?«
»Ab acht Uhr. Spätestens.« Acht Uhr an einem Sonntag war verdammt früh.
Er zögerte. Weil jetzt auch die Reitschüler ihre Räder holten, fuhr er los. »Ich komme auf jeden Fall!«, rief er noch.
Rese erschien nicht mal zum Abendessen. Deshalb wurde Nick losgeschickt, um sie zu holen. Er polterte die Treppe hoch, wir hörten, wie er »Rese, Essen ist fertig!«, schrie, wie die Tür zuknallte und er die Stufen heruntersprang. »Sie ist fort!«
Mein Pa runzelte die Stirn, meine Ma ging nach oben und blieb dort eine ganze Weile.
Als sie wieder in die Küche kam, sah sie ziemlich besorgt aus. »Reses dicke Jacke, der Schal, die Handschuhe und Mütze fehlen. Ich habe nicht bemerkt, wann sie aus dem Haus gegangen ist.«
Wir alle hatten nichts mitbekommen. Nur Sam, Nicks Freund mit den schwarzen Kulleraugen, meinte, ein Mädchen mit einem blauen Schal und einer blauen Mütze sei kurz nach dem Mittagessen
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