Weihnachtsglanz und Liebeszauber
ihn. »Das will kein liebevoller Vater.« Ich schlang die Arme um seinen Hals. »Aber du bist einer, dem das Glück seiner Tochter Rese am Herzen liegt. Nicht wahr?«
Bussi, Bussi, und schon wollte ich davonrennen, als er mich am Arm festhielt. »Wer hat meine Handschuhe geklaut? Und die Decke? Die Girlande mit der Lichterkette? Waren das Giselbert und sein Bruder?«
Mist! Daran hatte ich einfach nicht gedacht. »Keine Ahnung. Aber ich stelle das fest.«
»Hoffentlich. Waren es die beiden, kommt mir der Giselbert nicht mehr auf den Hof. Ist das klar, Ally?«
»Sonnenklar! Aber sie waren es nicht«, versicherte ich. Woher wollte ich das wissen? Sie konnten es gewesen sein … Doch das war nicht so wichtig. Wichtig war, dass Giselbert eine Chance hatte. Hoffentlich nützte er sie so, wie ich es mir wünschte. Wenn nicht, sollte ihn der Teufel holen, tau’n Düwel aber auch!
Als die ersten Reitschüler eintrudelten, rief ich Giselbert an. »Kannst kommen!«
»Hat Rese meine Botschaft gefunden?«, wollte er gleich wissen.
»Das hat sie. Und sie ist überglücklich.«
»Weiß sie, dass sie von mir ist?«
»Konkurrenz belebt das Geschäft, Giselbert. Bleib dran, gib nicht auf und überlege dir nette Geschenke«, schärfte ich ihm ein.
»Du hilfst mir doch, Ally?«
»Klar. Das habe ich dir versprochen. Wann kommst du?«
»Bin auf dem Hof, wenn ihr vom Ausritt zurückkommt!«
»Das Wetter wird sich ändern«, stellte mein Pa fest als wir aufsaßen und antrabten. »Es wird schneien.« Wir ritten wieder den Zipfelbach entlang, durch den Wald, über den Höhenrücken und hielten wie immer an der Aussichtsstelle an. Unten im Tal lag unser Erlenhof, wir sahen die Pferde auf der Koppel, Benno schob den Schubkarren über den Hof, zwei, drei Kids lehnten am Zaun.
Ich galoppierte los und jagte Fury durch die Weinberge, über die Brücke am Zipfelbach, sprang über den Zaun und brachte Fury zum Stehen. Vom scharfen Ritt wässerten meine Augen, ich blinzelte.
Giselbert saß auf der Stufe zur Küche, aber komisch war das schon: Er starrte so trübsinnig zu Boden. Weshalb freute er sich nicht?
Wie ich abstieg, rannte Rese in ihrem schicksten Reitdress und in voller Kriegsbemalung an ihm vorbei. Himmel aber auch! Was ging da vor?
Also Rese rannte mit der tollen Spange im honigblonden Haar an dem Menschen vorbei, der sie heiß und innig und total aufrichtig sowie selbstlos liebte – Kostenpunkt eine Haarspange – und geradewegs zu Jan rüber, der Hip Hop am Zügel aus dem Stall führte. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und gab Küsschen. »Was für eine tolle Überraschung«, flötete sie. »Ich hab mich ja so gefreut über dein Briefchen!«
»Tau’n Deiwel! Lass das, Rese«, wehrte sich Jan.
Meine Schwester verstand ihn komplett falsch. »Nun sei doch nicht so schüchtern!«
O je … ein langer, steiniger Weg lag noch vor mir und Reses Glück.
16. Dezember
A ls ich aufwachte, war’s draußen totenstill. Ich schlüpfte ausdem Bett und schaute aus dem Fenster: Unsere Stallungen, die Koppel, die Erlen am Zipfelbach, die Weinberge – alles tief verschneit. Der Schnee lag hoch und erstickte jeden Laut. Keine Krähe krächzte, kein Wiehern drang an mein Ohr. Eine so tiefe Ruhe lag über unserem Hof, dass mir ganz andächtig zumute wurde. Leider wurden meine Füße ziemlich schnell kalt, und in der Küche regte sich auch schon das Leben. Also zog ich dicke Socken an und rannte nach unten. Meine Mutter briet Spiegeleier mir Speck. »Hmmm!«
»Schneeschippen macht hungrig«, erklärte sie. »Wirst du Benno helfen?«
Ich zündete drei Kerzen an, schließlich hatten wir den 3. Advent. »Nach dem Frühstück.«
Rese tanzte in die Küche. »Ma, heute ist ein ganz besonderer Tag. Heute reitet Jan zum ersten Mal mit uns aus!«
»Ist das nicht zu früh? Hoffentlich fällt er nicht vom Pferd«, sagte sie und ging in die Speisekammer, um Weihnachtsplätzchen zu holen.
»Das gibt’s doch nicht!«, rief sie empört.
»Was ist?«
»Jemand hat Plätzchen geklaut! Eine ganze Menge sogar!«
Im Gegensatz zu den vergangenen Sonntagen war dann am 3. Advent die Stimmung mies. Echt mies. Mit finsterer Miene saß meine Ma am Tisch, und ehrlich gesagt, verstand ich sie.
Lebkuchen, Zimtsterne, Kokosmakronen und andere Plätzchen – alles selbst gebacken, versteht sich – waren weg. Das war noch nie vorgekommen; natürlich stibitzten wir schon mal das eine oder andere Plätzchen, aber so viele? Das hätte keiner von uns
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