Weihnachtsglanz und Liebeszauber
alles voll in Ordnung. An diesem Tag ritt er das Pony Rosi, obwohl Benno ihm den alten Esel unterjubeln wollte. Rese saß auf Schneewittchen, Pa auf Black Beauty, ich wie immer auf Fury, und Jan auf Hip Hop, den er kannte.
Rese bedankte sich gleich für die tolle Haarspange. Jan hob verständnislos die Augenbrauen, aber mein Pa rettete die Situation. »Bist du aufgeregt, Jan?«, erkundigte er sich.
»Ich werde die Leinen ordentlich straff halten und nicht zu viel Fahrt aufnehmen«, versicherte er.
»Brav«, lobte mein Pa. »Du reitest neben mir, verstanden?
»Aye-aye, Sir!«
Bei Jans erstem Ausritt wollten wir nur den Zipfelbach entlang, im nächsten Dorf über die Brücke und danach oberhalb der Häuser auf einem ebenen Weg nach Hause reiten. Es schneite sachte, die Hufe versanken im Schnee, die Pferde und wir atmeten weiße Wölkchen aus, ein paar Krähen hockten auf den Ästen der Erlen, ein Reiher flog mit trägem Flügelschlag übers Wasser, an dessen Rändern sich eine dünne Eiskruste bildete.
Hin und wieder schnaubte ein Pferd, und wie ich so hinter Jan hertrabte, wünschte ich mir, er wäre Giselbert. Man müsste, dachte ich, Jan und Giselbert in einen Topf werfen und einen dritten Jungen aus beiden erschaffen. Das wäre dann das ultimative Prachtstück: mutig, zupackend, sportlich, reich und schön. Giselbert allein, der Junge mit den glatt gebügelten Haaren, machte leider längst nicht so viel her wie der Wikinger mit seiner Mähne in Silberblond nach Art der Paris Hilton. Wie der auf dem Pferd saß – also das hatte was. Wenn ich Rese wäre, würde ich den Giselbert auch nur als so’ne Übergangslösung betrachten.
Was für ein Glück für mich, dass mich Jungs kein bisschen interessierten!
Über die Brücke und oberhalb des Dorfes ritten wir hintereinander, dann, entlang der Weinberge, wurde der Weg wieder breiter und ich fand es schade, dass wir nur ein so kurzes Stück ritten und bald schon wieder zu Hause sein würden.
»Ally!« Jan lenkte Hip Hop neben Fury.
»Du hältst dich gut«, lobte ich ihn. »Es gibt nichts Schöneres, als durch frisch gefallenen Schnee zu reiten. Findest du nicht auch?«
»Ja«, stimmte Jan mir zu. Dann runzelte er die Stirn. »Obwohl – ich glaube es gibt etwas noch Schöneres.«
»Nicht wirklich, oder?«
Jan lenkte Hip Hop noch näher an Fury heran. »Weißt du, was das noch Schönere ist?«
»Null Ahnung. Pass auf, Jan.«
Jan passte nicht auf; Hip Hop kam Fury bedenklich nahe. »Noch schöner ist, wenn –
»Achtung!«, schrie ich. »Aus dem Weg, du –«
Depp! Das wollte ich sagen. Zu spät.
Fury wieherte wütend, stieg auf die Hinterbeine, ich klammerte mich an die Zügel, rutschte, und rutschte – und stieg backbords ab.
Da lag ich im Schnee… Neben Jan.
Fury schnaubte, senkte den Kopf und stieß mich mit seinen weichen Nüstern an. Doch Hip Hop, unser temperamentvoller Flitzer, nutzte die Freiheit und galoppierte mit wehendem Schweif querfeldein. Im ersten Augenblick wusste ich nicht, was schlimmer war – die Stürze oder das fliehende Pferd.
»Zum Donnerwetter aber auch!« Mein Pa setzte Hip Hop nach,
Rese und Nick stiegen ab. »Alles in Ordnung, Jan?«
Wieso fragte keiner mich? Ich rappelte mich auf, bewegte Beine und Arme, drehte den Hals und stellte erleichtert fest, dass alle meine Knochen noch an der richtigen Stelle waren. Weh tat mir auch nichts. Glück gehabt, Ally!
»Tau’n Deiwel aber auch!« Jan klopfte den Schnee von der Hose. »Warum … was ist eigentlich in Hip Hop gefahren?«
»Fury mag es nicht, wenn ihm ein anderes Pferd zu nahe kommt. Und du –«, ich funkelte ihn an, »bist ihm eindeutig zu nahe gekommen. Mir übrigens auch. Das hast du jetzt davon. Bist du verletzt?«
»Quatsch«, versicherte Jan verlegen.
»Das passiert jedem mal«, tröstete Rese und klopfte eifrig Schnee von Jans Hose und Anorak, obwohl es eigentlich nicht mehr nötig war. Dann legte sie ihre Arme mal wieder um seinen Hals. »Ich hätte es nicht überlebt, wenn dir was passiert wäre. Ally, du hättest besser aufpassen müssen. Du weißt doch, wie empfindlich Fury ist!«, flötete sie mit süßer Stimme.
Uggg! Na klar doch! Niemand kümmerte sich um mein Wohlbefinden, ich musste mir den Schnee selbst abklopfen, und schuld war ich natürlich auch noch. Typisch Rese.
Nick zog das Pony neben mich. »Hip Hop hat die Straße schon fast erreicht«, sagte er leise und deutete mit der Reitgerte geradeaus, wo wir die nahe Bundesstraße als schwarzes
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