Weihnachtskatze gesucht
setzte sich neben sie. »Du bist nicht |113| krank, du bist nicht alt, und mistig behandelt hat man dich auch nicht.«
»Ich find’s netter hier.«
»Wer hat dich eigentlich hergebracht?«
»Ein Mensch mit einer Falle.«
Mac bekam große Augen.
»Ach, du Ärmste. Auch eine Falle? Hat man dir wehgetan?«
»Nein, nicht so eine Beißfalle wie die, in die du geraten bist. So ein Gitterkorb.«
»Erzähl uns davon, SueSue.«
»Immer willst du Geschichten hören«, maulte SueSue, meinte es aber nicht ernst, sondern stupste Ormuz mit der Nase an.
»Ich höre eben besser, als ich sehe. Nun mach schon.«
»Na gut. Also es wurde Herbst, die vier jungen Tolpatsche waren ganz pfiffig geworden und brauchten mich nicht mehr. Sogar das Schisserchen kam inzwischen alleine von den Bäumen wieder runter. Es wurde nachts schon immer sehr kalt, morgens lag Frost über den Steinen, und die Mäuse verzogen sich tiefer in ihre Höhlen. Ich dachte mir, dass ich irgendwo einen besseren Unterschlupf finden müsste. Die Menschen machen das Innere ihrer Häuser so schön warm und verstecken auch im Winter das Futter nicht. Ich war ja im Sommer etwas durch die Gegend gewandert und hatte einige nützliche Gärten besucht. Da wollte ich mein Glück wieder versuchen. Also bin ich über die Straße und wanderte von Haus zu Haus. Manchmal stand Futter draußen – für |114| Hunde, hin und wieder solches für Menschen. Wenn Fleisch dran ist, ist es gut. Ein paar Mal musste ich mich mit anderen Katzen raufen, Reviergrenzen, ihr wisst schon, aber dann fand ich ein nettes Paar Kätzinnen, das mir erlaubte, in seinem Garten unterzuschlüpfen. Die beiden hatten auch so eine Klappe, die ins Haus führte, und hin und wieder bin ich heimlich rein und habe mir den Bauch vollgeschlagen.«
»Das war aber gefährlich«, knurrte Mac. »Man betritt doch nicht einfach Menschenrevier.«
»Och, kann man schon. Die hören ja nicht so gut. Obwohl – irgendwann stellten sie mir Futter draußen hin. Fand ich anfangs auch ziemlich nett. Darum machte mir das auch nach einer Woche nichts aus, dass die Schüssel in diesem Gitterkäfig stand. Ich kam ja immer wieder raus.« SueSue machte eine dramatische Pause und strich sich die Schnurrhaare glatt, was wenig Erfolg hatte, denn sie kräuselten sich gleich wieder.
»Gitterkäfig«, sagte Mac. »Nun sag schon.«
»Tja, Gitterkäfig. Ziemlich groß, unten eine Metallplatte und drin ein Napf mit ganz furchtbar köstlich duftendem Futter. Mit Soße! Stand eines Tages etwas weiter hinten, und kaum hatte ich einen Schritt draufzugemacht, schepperte es hinter mir, und der Ausgang war versperrt. Da saß ich drin und kreischte. Sie haben dann eine Decke drüber geworfen und mich weggeschleppt. Seither bin ich hier.«
»Wie gemein von den Aufrechten!«
»Ich weiß nicht, Mac. Zu den beiden Kätzinnen waren |115| sie sehr nett, die haben ihre Menschen gelobt. Aber wahrscheinlich reichte das Revier nicht für mehr als zwei, es war nur ein winzigkleiner Garten. Ist ja auch nicht schlimm, hier geht es mir ja gut.«
Ormuz’ blinde Augen sahen sie an, und SueSue kratzte sich verlegen hinter den Ohren. Dann drehte sie sich um und legte sich in ihre eigene Schachtel.
Der blinde Weise sah zuviel.
Viel zu viel.
Aber wie sollte sie nur zu Salvia zurückfinden?
Und warum wünschte sie sich das eigentlich so sehr?
Sie döste und träumte, und vor ihren Augen sah sie wieder das Menschengesicht. Und den feinen, hauchdünnen silbrigen Faden, der sie und Salvia miteinander verband.
Und als sie tiefer in die Träume versank, kamen die Erinnerungen.
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19. Salvia und der böse Wolf
S tell dir vor, Mona, er war auf diesem alten Friedhof und hat nach SueSue gesucht!«
»Der einsame Wolf? Tatsächlich?«
Mona deckte die Tische für die Mittagsgäste ein und stellte die Töpfchen mit Christrosen dazu, die Salvia ihr reichte.
»Ja, die Frauen, die dort die wilden Katzen füttern, haben mir gesagt, dass er da war, ihnen ein Foto gezeigt und nach ihr gefragt hat. Sie haben ihn zu den Tierärzten und dem Tierheim geschickt.«
»Und – hat er eine Spur gefunden?«
»Weiß ich nicht. Er hat sich seit dem vergangenen Sonntag, an dem wir hier gegessen haben, nicht bei mir gemeldet.«
Mona stellte das Glas ab, das sie in der Hand hielt.
»Das ist sechs Tage her. Hast du irgendwelche moralischen, esoterischen oder sittlichen Bedenken, warum du nicht bei ihm nachfragst?«
»Ich habe seine Telefonnummer nicht.«
»Steht
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